Gerhard Schröder lässt ermitteln

■ Die verschwundenen Akten aus dem Verkauf von Leuna und Minol geben Rätsel auf. 48 Akten sind jetzt wieder aufgetaucht

Jetzt will der Chef ermitteln lassen. Bundeskanzler Gerhard Schröder will unabhängige Ermittler damit beauftragen, das Verschwinden der Akten zum Verkauf der ostdeutschen Firmen Leuna und Minol an Elf Aquitaine zu klären. Keine einfache Aufgabe. Die Merkwürdigkeiten in der Leuna/Minol-Affäre scheinen endlos. Und offensichtlich gibt es Leute, die ein enormes Interesse daran haben, dass diese Unterlagen zur Privatisierung der ostdeutschen Raffinerie und des Tankstellennetzes unzugänglich bleiben.

Im Dezember wurde festgestellt, dass das Gros der Akten dazu im Kanzleramt und im Bundesfinanzministerium verschwunden ist. Mittlerweile scheint klar, dass sie nicht beim Umzug von Bonn nach Berlin verloren gegangen sind. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Unterlagen vor dem Regierungswechsel bewusst entsorgt wurden. Zumal die Kohl-Regierung in der vergangenen Legislaturperiode im Untersuchungsausschuss DDR-Vermögen, der sich auch mit Leuna und Minol beschäftigte, extrem wenig Kooperationsbereitschaft zeigte. Der damalige Ausschuss-Obmann der SPD-Fraktion, Friedhelm Julius Beucher, der jetzt wieder im Untersuchungsausschuss zur CDU-Finanzaffäre sitzt, erinnert sich: „Damals dachten wir, wer nichts zu verbergen hat, macht nicht so ein Versteckspiel.“ Was er vor zwei Jahren noch als Unverschämtheit bezeichnet hätte, „kann ich heute nur noch als ganz klare Desinformationspolitik der damaligen Bundesregierung bezeichnen“.

Ein Indiz für eine gezielte Verschleppungstaktik der damaligen Regierung sind die Tagebücher des für den Leuna/Minol-Komplex verantwortlichen Vorstands der Treuhandanstalt, Klaus Schucht. Schucht führte über die Privatisierung von Leuna Tagebuch. Diese Unterlagen wollte der Ausschuss DDR-Vermögen einsehen. Daraufhin wurden die Tagebücher erst einmal auf Dienst- und Geschäftsgeheimnisse geprüft: Erst von einer renommierten Anwaltskanzlei, dann von der Treuhandnachfolgerin BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) und schließlich vom Finanzministerium, dem die BvS unterstellt ist. Die Prüfungen zogen sich bis zum Mai 1998 hin. Keine Chance mehr, die Tagebücher für den Abschlussbericht des Ausschusses, der im Juni vorliegen musste, zu verwerten.

Der Beschluss des Untersuchungsausschusses, Unterlagen aus Frankreich hinzuzuziehen, wurde vom Justizministerium erst drei Monate später weitergeleitet. Der Auftrag war einfach liegen geblieben. Ein Versuch der rot-grünen Opposition, den Leuna/Minol-Komplex aus dem Untersuchungsauftrag auszugliedern und während der Sommerpause gesondert zu prüfen, wurde von CDU/CSU und FDP abgelehnt.

Zur Aufklärung beitragen könnten Akten aus dem Bundesverkehrsministerium. Dort sind in den letzten Wochen 48 Ordner zum Verkauf der Minol-Tankstellen aufgetaucht. Ob die Unterlagen vollständig sind, ist noch unklar. Karin Nink, Christian Rath