„Kohl, der unwürdige alte Mann“

■ Frankreichs Medien reagieren zurückhaltend auf die Enthüllung, Ex-Präsident Mitterrand habe die Wahlkampfhilfe für Kohl gesteuert

Wer keinen direkten Draht nach Deutschland hat, erfuhr in Frankreich erst mit zweitägiger Verspätung, welchen Scoop der Fernsehsender France-2 in Zusammenarbeit mit der ARD gelandet hatte: Die Enthüllungsgeschichte über die angeblichen 30 Millionen Mark Wahlkampfhilfe, die die Firma Elf im direkten Auftrag von François Mitterrand 1994 an die CDU überwiesen haben soll, brachte der öffentlich-rechtliche Sender ohne Ankündigung und mitten in seiner Nachrichtensendung vom Samstagabend versteckt. Ein zentrales Element – die Erklärung eines anonym gebliebenen ehemaligen Mitterrand-Mitarbeiters, der gegenüber den Fernsehteams die Finanzhilfe bestätigte – enthielt der Sender seinen Zuschauern gänzlich vor.

Erst gestern lieferten die Medien die Details der Affäre, in die ihr vor vier Jahren verstorbener Ex-Präsident Mitterrand laut Fernsehrecherche verwickelt gewesen sei. Gestern hatte das Thema zwar bereits die Aufmachergeschichten der Medien erobert, doch herrschte immer noch Zurückhaltung bei der Bewertung der mutmaßlichen sozialdemokratisch-christdemokratischen Schmiererei vor.

Am weitesten wagte sich die liberale Tageszeitung Libération vor. Sie titelte gestern: „Kohl, der unwürdige alte Mann“, und druckte dazu eines der zahlreichen Fotos des Deutschen mit Mitterrand ab. Die anderen Medien waren vorsichtiger. Der konservative Figaro versteckte sich auf seiner Seite eins hinter der Frage: „Hat Mitterrand Kohl finanziert?“, und die kommunistische Humanité brachte die „Affäre Kohl („Wird sie Mitterrand erschüttern?“) erst auf ihren hinteren Seiten.

Die heute regierende sozialistische Partei (PS) freilich reagierte sensibel, wenngleich wenig überzeugend auf die Anschuldigungen gegen ihren Parteigründer Mitterrand. Es gäbe bislang „keine Beweise“ und es handle sich „bloß um Gerüchte“, betonte ein Parteisprecher gestern in Paris.

Seit dem Regierungswechsel im Frühsommer 1997 hält die PS demonstrativ Distanz zu den Mitterrand-Jahren und zu ihren zentralen Figuren. Die neuen Parteichefs fürchten die Erblast von 14 langen Jahren an der Macht, während derer zahlreiche sozialistische Politiker in Affären verwickelt waren und das Prestige der Partei schweren Schaden genommen hat. Enge Mitterrand-Vertraute wie Ex-Kulturminister Jack Lang beteiligte Premierminister Lionel Jospin vorsichtshalber gar nicht erst an seiner Regierung. Finanzminister Dominique Strauss-Kahn musste zurücktreten, sobald die Eventualität von Ermittlungen gegen ihn ruchbar wurde.

Dennoch ereilten die Nachfolger Mitterrands bereits mehrere Skandale aus der alten Ära. Unter anderem die – ebenfalls im Rahmen der großen Elf-Affäre laufenden – Ermittlungen gegen Ex-Außenminister Roland Dumas, den Mitterrand noch zum Präsidenten des Verfassungsrates befördert hatte. Erst nach langem Zögern trat Dumas im vergangenen Jahr „vorübergehend“ von seinem Posten zurück.

Dorothea Hahn, Paris