Günter Grass-Blamage des Senats

Betrifft: „Günter Grass? Nein danke!“, taz vom 22.1.2000

Einigermaßen verblüfft lese ich in der taz bremen, dass Wolfgang Emmerich, von mir freundschaftlich geschätztes ehemaliges Mitglied der Jury für den Bremer Literaturpreis, sich daran zu erinnern meint, ich habe als zuständiger Senator seinerzeit der Jury zu verstehen gegeben, dass der Bremer Literaturpreis dem Renommée der Stadt zu dienen habe, was wohl unterstellt, die Unabhängigkeit der Jury sei von mir nicht strikt geachtet worden. Nach der Grass-Blamage des Senats ist das eine hässliche Unterstellung. Ich erinnere mich, stets ein völlig ungetrübtes Verhältnis zur Jury besessen zu haben. Einzelnen Mitgliedern, nicht nur Emmerich, bin ich bis zuletzt freundlich verbunden gewesen. So hat es zwischen dem Vorsitzenden und leider viel zu früh verstorbenen Herbert Heckmann und mir nie auch nur den Hauch einer Verstimmung gegeben. Vieleicht ist Wolfgang Emmerich so nett und teilt den taz-Lesern konkret mit, wann und in welcher Form ich irgendt einen Druck auf die Jury versucht hätte. Ich weiß davon nämlich nichts. Schließlich habe ich als Senator tapfer Peter-Paul Zahl geehrt, der aus dem Gafängnis zur Preisverleihung vorgeführt wurde und in seiner Rede dann die Bundesrepublik Deutschland mit dem Auschwitzstaat der NS-Zeit gleichsetzte. Dafür bin ich bundesweit beschimpft worden. In der Bürgerschaft habe ich gegenüber dem empörten Parlament die Entscheidung der Jury verteidigt, einem rechtskräftig verurteilten Terroristen den Förderpreis des Bremer Literaturpreises zu verleihen. Auch meine Genossen im Parlament standen damals nicht für mich ein. Einzig Walter Jens und Fritz Raddatz verteidigten mich damals öffentlich.

Im übrigen bin ich sehr wohl der Meinung, dass bei Preisentscheidungen immer auch die Preispflege bedacht werden muss. Die Glanzlichter eines Preises strahlen schließlich auch auf diejenigen, die auf öffentliche Aufmerksamkeit angewiesen sind, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Wenn nicht ab und zu nicht bewusst solche Markierungspunkte gesetzt werden, verliert ein Preis seine Bedeutung und hilft auch keinem Preisträger mehr. Das ist nicht Marketing für die Stadt, sondern Werterhaltung des Preises. Nikolaus Born, Volker Braun, Peter Handke, Siegfried Lenz, Christa Wolf, Peter Rühmkorf, um nur eineige zu nennen, sind solche Wertmarken. An die blamable Senatsentscheidung in Sachen „Blechtrommel“ mussten wir uns zwar 1999 noch einmal erinnern, aber nicht mehr mit der alten Bitternis. Die Aussöhnung mit Günter Grass ist schon zu meiner Zeit gelungen. Vielleicht noch als Anmerkung zur alten Geschichte: Der damalige Wirtschaftssenator Eggers aus Bremerhaven meldete sich am Ende der Senatsdebatte zu Wort, nachdem er bis dahin geschwiegen hatte. Er lese kaum und kenne auch nicht das hier verhandelte Buch namens „Blechtrommel“. Er habe aber begriffen, dass der Senat es für unmoralisch halte. Nach seiner guten Kenntnis des Kollegiums fehle dem aber jegliche Berechtigung für ein solches Urteil. Die Jury bestünde aus angesehenen und ausgewiesenen Literaturfachleuten. Der Senat sei gut beraten, in einer Sache, von der er nichts verstehe, den Fachleuten zu folgen. Er werde so verfahren. Die Mehrheit im Senat verfuhr anders, zum letzten Mal. Seit damals wird über den Bremer Literaturpreis bekanntlich im Senat nicht mehr abgestimmt.

Senator a.D.

Horst-Werner Franke