Teddy holt den Luftpokal

Bayern-Nemesis Teddy Sheringham rettet Manchester United einen Punkt beim 1:1 gegen Arsenal  ■ Aus Manchester Ronald Reng

Die beiden vereinseigenen Kaufhäuser, Megastore und Superstore, hatten noch geöffnet. Trikots in drei verschiedenen Farben und sechs unterschiedlichen Größen bot Manchester United dort den 58.000 Zuschauern an, die zum Spitzenspiel der englischen Meisterschaft gegen Arsenal London ins Stadion Old Trafford kamen. Bloß für den eigenen Torwart fand der Champions-League-Gewinner, der in guten Jahren eine halbe Millionen Trikots an die Fans verkauft, kein passendes Jersey.

Zunehmend hektischer fuchtelte der australische Schlussmann Mark Bosnich mit den Händen herum, man solle ihm ein anderes Hemd bringen; im gewohnten Gelb ließ ihn der Schiedsrichter nicht spielen, weil Arsenal dieselbe Farbe trug. Der Ball lag schon zum Anstoß bereit, die Spieler waren auf dem Platz, doch es vergingen fünf Minuten – im Zeitalter der millionenteuren, sekundengenau geplanten Fernseh-Live-Übertragungen eine verdammte Ewigkeit – bis ein Betreuer ein Oberteil für Bosnich aufgetan hatte: Der Pullover sah allerdings aus, als hätte er ihm dem Hausmeister ausgezogen. Ohne Werbeaufschrift, Vereinswappen, Rückennummer, einfach nur grau.

Es sollte an diesem Montagabend nicht die einzige Panne des weltweit umsatzstärksten Fußballvereins bleiben. Erst wurde David Beckham bei der Wahl zum Weltfußballer 1999 wieder nur Zweiter hinter dem Brasilianer Rivaldo, dann trat Verteidiger Jaap Stam nach 15 Spielminuten über den Ball, was Arsenals energischem Stürmer Fredrik Ljungberg das 0:1 ermöglichte. Der unvermeidliche Teddy Sheringham, der schon im Champions-League-Finale gegen Bayern München das Ergebnis auf den Kopf gestellt hatte, rettete schließlich als Einwechselspieler mit seinem Tor in der 73. Minute ein 1:1.

In den vergangenen zwei Jahren hatten United und Arsenal die Meisterschaft im Zweikampf ausgemacht, doch diesmal hatte das große Duell nur eine Konsequenz: Es macht den Streit um Platz eins endgültig zum Dreikampf. „Das Unentschieden war ein großer Erfolg“, sagte Manchesters Trainer Alex Ferguson, „für Leeds.“ Drei Punkte Vorsprung behält Tabellenführer Leeds United auf seine beiden Verfolger. Dass deren Vergleich keinen Sieger fand, gibt den jungen Außenseitern aus Yorkshire eine neue Rolle: Leeds muss nun als erster unter den drei Anwärtern gelten.

Arsenal, englischer Meister 1998, wird auf den Auftritt beim Meister '99 zurückblicken als ein Spiel, das man hätte gewinnen sollen. Die Londoner waren reaktions- und gedankenschneller und in der Defensive fantastisch organisiert, angefangen im Mittelfeld mit den Franzosen Emmanuel Petit und Patrick Vieira. United dagegen bewies einmal mehr, dass seine unflexible Vier-Mann-Abwehr Probleme hat, wenn der Gegner mit einem alleinigen Stürmer sowie einem dahinter hängenden Pendler zwischen Angriff und Mittelfeld ankommt. So brachte vergangene Saison in der Champions League Juventus Turin die Rote Maschine zum Stottern; so machte diesmal Arsenal United verrückt, mit dem flinken Thierry Henry und dem explosiven Schweden Ljungberg, der sich weit zurückfallen ließ, um dann plötzlich nach vorne zu stoßen.

Arsenals deutscher Mittelfeldspieler Stefan Malz wurde 20 Minute vor Schluss eingewechselt, der entscheidende Spielertausch allerdings hatte vier Minuten zuvor stattgefunden. Sheringham für Cole. Wenn nicht viel geht – das sind die Spiele für Teddy Sheringham. „Er stellt etwas Besonderes zur Verfügung“, sagte sein Trainer Ferguson, als er so spät zur Pressekonferenz gekommen war wie Sheringham ins Spiel und grinsend die Journalisten fragte: „Habt Ihr euren Redaktionsschluss schon verpasst?“ Doch es war noch genug Zeit, ein paar Lobeshymnen auf Sheringham ins Blatt zu heben. Es ist eine Kunst, die er beherrscht: Eingewechselt zu werden und sofort im Spiel zu sein; den Spielfluss zu ändern.

Als er sein Tor geschossen hatte, hob er grüßend die Hand zu den Fans – den Gästefans. Für den Arsenal-Anhang ist er seit Jahren die Reizfigur. „Oh, Teddy, Teddy, er ging nach Manchester und sitzt auf der Auswechselbank“, sangen sie diesmal nach 20 Spielminuten. Da ging Teddy Sheringham von der Ersatzbank zu ihnen hinüber. Er gab eine kleine pantomimische Einlage. „Luftgitarre spielen“ heißt das, wenn Rockfans mit den Fingern durch die Luft schrubben, als hielten sie eine Gitarre in den Händen. Oh, Teddy, Teddy, er ging zur Arsenal-Kurve und erfand den Luftpokal: Dreimal ging er in die Knie und hob für seine Freunde aus London einen imaginären Cup in die Höhe; die drei Trophäen, die United vergangene Saison gewonnen hat.