Arbeiter helfen Zwangsarbeitern

Die IG Metall will brancheneigene Unternehmen dazu bewegen, dem Entschädigungsfonds für die NS-Zwangsarbeiter beizutreten – mit Hilfe einer Liste ■ Von Christian Semler

Berlin (taz) – Gutes Timing! Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zur Entschädigung der Zwangsarbeiter krebst gegenwärtig bei zwei Fünftel des zugesagten Fünf-Milliarden-Anteils herum. Um der großen Mehrheit der Zahlungsunwilligen Beine zu machen, hat heute die IG Metall in ihrer Zeitschrift metall eine Liste von 139 Firmen der Metallindustrie veröffentlicht, die während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter beschäftigten und bis heute auf stur stellen. Die Liste lehnt sich eng an bereits veröffentlichte Listen an, nimmt aber auch die Ergebnisse eigener Recherchen auf. Obwohl sie nicht ganz auf dem neuesten Stand ist, ändert dies nichts an ihrer Tauglichkeit.

IG-Metall-Chef Zwickel findet im Begleitbrief harsche Worte für die Front der Verweigerer. Rechtssicherheit, also Schutz vor künftigen zivilen Klagen, dürfe es nur für diejenigen Firmen geben, die sich an der Finanzierung des Entschädigungsfonds beteiligen.

Den Kampf gegen diejenigen Firmen, die durch ihre Weigerung „die Opfer zum zweiten Mal verhöhnen“, hat die Führung der IG Metall bereits Ende 1998 aufgenommen, als sie ihre Mitglieder mit Materialien über die Zwangsarbeit bekannt machte. Ein entsprechendes Faltblatt mit gut recherchierten Fakten wurde anschließend mit einer 300.000er Auflage verteilt. Die Vertrauensleute und Betriebsräte wurden aufgefordert, Zwangsarbeiter einzuladen, Prozesshilfe zur Durchsetzung ihrer Ansprüche zu leisten, Betriebsversammlungen durchzuführen, die Kollegen für das Anliegen der Bundesstiftung zu gewinnnen.

Hierbei stieß die IG Metall auf eine erwartbare Problematik: die der gespaltenen Loyalität. Bei großen, der Mitbestimmung unterliegenden Betrieben, war es relativ einfach, die Gewerkschaftsfunktionäre, Betriebsräte und Mitglieder der Aufsichtsräte für die Bundesstiftung zu gewinnen – falls es überhaupt versucht wurde. So war schon früher beispielsweise das VW-Modell einer Entschädigung von 10.000 Mark pro Zwangsarbeiter unter Mitwirkung der Gewerkschaft zustande gekommen. In mittleren und Kleinbetrieben hingegen neigten bislang die Betriebsräte dazu, auf der Linie der Firmeneigentümer zu argumentieren: „Uns geht es schlecht, für edle Gesten reicht das Geld nicht.“ Diese Haltung konnte sich auf die Zustimmung vieler Belegschaften von Klein- und Mittelbetrieben stützen, die meinten, nach 50 Jahren sollte man endlich Schluss machen mit der „Wiedergutmachung“.

Argumente dieser Art bekamen beispielsweise auch die Gewerkschafter zu hören, als sie im westfälischen Herford die Firma Stiegelmayer angingen, in der während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiterinnen aus Russland beschäftigt waren. Stiegelmayer war eine von hundert Firmen im Kreisgebiet gewesen, die insgesamt rund 3.000 Zwangsarbeiter beschäftigten. Die Herforder Metaller versicherten sich der Unterstützung einer lokalen Historikerin, engagierter außerbetrieblicher Gruppen und zweier Anwälte. Diesem kombinierten Druck gab die Geschäftsleitung nach und willigte in einen Vergleich ein. Solche Erfolge lassen sich bislang an einer Hand abzählen. Dies zu ändern, dient die neue Initiative der Frankfurter IG-Metaller.