Wer von rechts lacht, lacht am besten

■ Österreich steht vor dem Machtwechsel: Jörg Haiders rechte Freiheitliche und die christdemokratische ÖVP nehmen Koalitionsverhandlungen auf. Wer den Kanzler stellt, ist noch nicht ausgemacht

Wien (taz) – Der österreichische Rechtsaußen Jörg Haider steht kurz vor dem Ziel: Eine Koalition der christdemokratischen ÖVP mit Haiders FPÖ scheint nach dem Scheitern der Regierungsverhandlungen SPÖ-ÖVP unmittelbar bevorzustehen.

Gestern abend nahmen ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel und FPÖ-Vorsitzender Haider offiziell Gespräche über eine künftige Zusammenarbeit auf. Zusammen halten sie 104 der insgesamt 183 Mandate im Nationalrat und damit eine solide Mehrheit. Ungeachtet dessen versucht der sozialdemokratische Noch-Bundeskanzler Viktor Klima den Auftrag von Bundespräsident Klestil zur Bildung einer arbeitsfähigen Minderheitsregierung zu erfüllen.

Haider und Schüssel erklärten gestern gestern einhellig, sie wollten sich bis Ende nächster Woche über ein gemeinsames Programm einigen. Andernfalls seien Neuwahlen unausweichlich. Die heikle Frage, wer den Bundeskanzler stellen soll, wird von beiden Parteien heruntergespielt, könnte aber noch zum Knackpunkt der Verhandlungen werden.

Wolfgang Schüssel, befragt ob sein Wunschtraum der Kanzlerwürde endlich in Erfüllung gehe, gab sich optimistisch: „Gehen Sie davon aus.“ Doch die freiheitliche Basis will Haider als Kanzler sehen. Schließlich wurde die FPÖ am 3. Oktober mit 415 Stimmen Vorsprung vor der ÖVP zur zweiten politischen Kraft. Haider selbst erklärte, er werde nicht Bundeskanzler werden. Zugleich wollte er aber nicht ausschließen, dass er seinen Posten als Landeshauptmann von Kärnten zurücklegt, „wenn mich die Basis von dieser Aufgabe entbindet.“

Denkbar ist, dass sich die Freiheitlichen diesmal mit dem Finanzministerium bescheiden und sich den Regierungsvorsitz für die nächste Legislaturperiode aufsparen. Außerdem beansprucht die FPÖ das Sozialministerium, bisher eine Bastion der roten Gewerkschaften.

Thomas Prinzhorn, ein milliardenschwerer Holzunternehmer, ist erster Anwärter auf das Wirtschaftsministerium.

Bundespräsident Klestil könnte nächste Woche in die kuriose Verlegenheit kommen, zwischen zwei fertigen Regierungsmannschaften auswählen zu müssen. Das wäre, wie so vieles seit den Wahlen vom 3. Oktober 1999, ein politisches Novum. Ralf Leonhard

Tagesthema Seite 3