Ausweglos absurd

Proleten-Boulevard ohne Schützenfestatmosphäre: Das Best of Bukowski-Festival im Altonaer Theater  ■ Von Liv Heidbüchel

Seit Axel Schneider Intendant des Altonaer Theaters ist, liegt ihm ein Autor besonders am Herzen. So sehr, dass er sich für dessen Stücke die Hamburger Erst-aufführungsrechte sicherte und bis dato bereits fünf davon herausbrachte. Ein weiteres soll quasi das Jubiläum krönen. Denn mittlerweile sind fünf Jahre vergangen, und Schneider darf mit Fug und Recht behaupten, diesem vielfach gespielten und ausgezeichneten Dramatiker in der Hansestadt zu einem gewissen Ruhm verholfen zu haben.

Es ist Oliver Bukowski, der sein Coming-Out als Autor bezeichnenderweise 1989 hatte. Somit bleibt das Attribut „Osten“ des geborenen Cottbussers wohl untilgbar mit seinem Dramatikerdasein verhaftet.

Davon, dass Bukowskis Stücke jedoch nicht auf den Osten beschränkt sind, kann man sich vom 4. bis 7. Februar beim „Best of Bukowski“-Festival im Theater in der Museumsstraße überzeugen. Mit einer Ausnahme kommen dann alle Inszenierungen der vergangenen Jahre noch mal auf die Bühne: Da-runter der „Hardcore-Schwank“ Bis Denver, der Monolog Nichts Schöneres mit Hannelore Droege und Londn-L.Ä.-Lübbenau, bei dem Schneider selbst Regie führt.

Die Stücke haben es in sich. Meist im Milieu der verkrachten Existenzen angesiedelt, legt Bukowski seinen Figuren eine derbe, dialektal geprägte Sprache in den Mund. Doch trotz eindeutiger Tendenz zum Schmierig-Proletigen finden sich seine Boulevardkomödien nie in aufgeheizter Schützenfestatmosphäre wieder. Vielmehr scheint das tragische Moment unpathetisch durch jede Zeile hindurch – „verbunden mit einem Lachen, das einem im Halse stecken bleibt“, wie Schneider es nennt. Denn die Situationen, in denen Bukowkis Charaktäre festsitzen, schrammen meist das ausweglose Absurde. Und enden nicht selten tödlich.

Ohne naturalistisches Theater machen zu wollen, betont Schneider die Aufgabe des Theaters, zum Hinschauen zu zwingen. Schließlich bieten Figuren wie die zugleich frisch verliebte und komplett desillusionierte Mörderin Mechthild in Nichts Schöneres nicht ohne weiteres Identifikationsfläche für den durchschnittlichen Theaterbesucher. Doch wie Mechthild sind sämtliche schräge Typen aus Bukowskis Feder natürlich Kunstfiguren. Erst die Abstraktion auf der Bühne, die „theatralische Überhöhung“, so Schneiders Bezeichnung, reizt zur Auseinandersetzung.

Aber auch zur Identifikation. Denn schließlich kreisen Bukow-skis Stücke immer wieder um allgemein gültige Phänomene des menschlichen Gemüts: Frust, Aggression und ein Stapel Sehnsüchte, an dem sich abgearbeitet werden darf. Des öfteren auch unterhalb der Gürtellinie. So auch wieder in Bukowskis jüngstem Stück Gäste, das ihm den Mülheimer Dramatiker-Preis einbrachte. Handlungsort der Tragödie ist ein „durch die Rezession verödeter Landstrich“.

In eine Obstlerfahne gelullt atmet das Dorf Ödnis und Ziellosigkeit bis zum Wegdämmern. Nur ein junges Paar mimt Motivation und eröffnet ein Hotel – wahrlich eine Schnapsidee. Als nach Wochen endlich ein Gast kommt, entflammt bei der Landbevölkerung der helle Wahnsinn. Da gehört dann zum guten Service schon mal ein ordentliches Hand anlegen.

In der Regie von Henning Bock, der bereits für Bis Denver verantwortlich zeichnete, kommt mit Gäste erstmalig ein Bukowski auf die große Bühne des Altonaer Theaters – für das abonnierte Publikum sicherlich eine Herausforderung. Aber gerade die Kombination aus deftiger Sprache und saftiger Handlung lässt viel Spielraum für Witz und Komik. Bekanntermaßen wird dieser Bogen nur allzu leicht überspannt.

Bleibt zu hoffen, dass bei der Inszenierung nicht die Kalauersicherung durchbrennt.

„Gäste“: Sa, 29. Januar, 20 Uhr; „Best of Bukowski“: 4.-7. Februar, Altonaer Theater