Beschlossen und schon Makulatur?

Kabinett beschließt Entwurf für eine Bundesstiftung zur Entschädigung der Zwangsarbeiter. Grüne kritisieren die Vorlage in wichtigen Punkten ■ Aus Berlin Christian Semler

Der Entwurf ist als Ausgangsposition zu verstehen, von der man sich auf eine Kompromisslinie zurückziehen kann

Gestern hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Bundesstiftung für die Entschädigung der Zwangsarbeiter angenommen.

Es handelt sich um den nahezu unveränderten Referentenentwurf aus der Küche des Finanzministeriums, der in der Öffentlichkeit nahezu einhelliger Kritik begegnet war. Gleichzeitig beschloss das Kabinett jedoch, diesen Entwurf vorerst nicht an das Parlament weiterzuleiten, sondern die Ergebnisse der Washingtoner respektive Bonner Verhandlungen abzuwarten. Deren Ergebnisse sollen bewertet und gegebenenfalls in den Gesetzentwurf eingearbeitet werden. So hatten es die grünen Minister im Kabinett gefordert, und so hatte auch Finanzminister Hans Eichel den weiteren Weg skizziert.

Mit dieser Vorgehensweise hat die Bundesregierung auf die Vorwürfe der Opferverbände wie der osteuropäischen Regierungen reagiert, sie versuche mit einem Stiftungsgesetz die Verhandlungsergebnisse vorwegzunehmen. Der Entwurf diene, so war aus den bekannten gut unterrichteten Koalitionskreisen zu hören, nur als Grundlage für die Washingtoner Verhandlungen. Schließlich sei in der Vergangenheit immer moniert worden, dass es die deutsche Seite an konkreten Vorstellungen über das „Wie und „Für Wen“ der Entschädigung habe fehlen lassen.

Da die an den Washingtoner Verhandlungen beteiligten Regierungen, Opferverbände und Anwaltskanzleien ihre Ablehnung der bisherigen Referentenentwürfe deutlich erklärt hätten, sei der jetzige Entwurf als Ausgangsposition zu verstehen, von der man sich nötigenfalls auf eine Kompromisslinie zurückziehen könne. Am ersten wie auch am zweiten Referentenentwurf des Finanzministeriums war seitens der Opfervertreter vor allem moniert worden, er schließe ganze Gruppen wie die Zwangsarbeiter auf dem Land aus, er fordere eine generelle Verzichtserklärung für weitere Ansprüche und er eröffne die Möglichkeit für die Anrechnung anderer Leistungen.

Mit der „maximalistischen“ Verhandlungsstrategie der deutschen Seite bei den kommenden Washingtoner Verhandlungen will sich der Entschädigungsspezialist der Bündnisgrünen, der Abgeordnete Volker Beck, nicht einverstanden erklären. Für ihn ist die Methode des Feilschens dem Verhandlungsgegenstand nicht angemessen.

Beck wiederholte nochmals in einem Gespräch die wichtigsten Kritikpunkte der Bündnisgrünen an dem Gesetzentwurf. Auch er beklagte die Kriterien des Entwurfs für die Anerkennung als Zwangsarbeiter. Dabei stellte er besonders auf die Voraussetzung „Deportation“, auf die „Haft oder haftähnlicher Bedingung“ sowie auf die räumliche Eingrenzung auf Deutschland in den Grenzen von 1937 ab. Diese Eingrenzung sei unhistorisch, denn in den von Deutschland anektierten oder besetzten Gebieten seien massenhaft Zwangsarbeiter eingesetzt worden. Was das Haftkriterium angehe, so sei es unstreitig, dass Zwangsarbeiter auch ohne Zaun wie Gefangene gehalten worden seien. Die Bevölkerung habe wie eine Wachmannschaft funktioniert. Auch hinsichtlich der „Anrechnung“ und des „Verzichts“ unterstützte Beck im Wesentlichen die Kritik der Opfervertreter.

Unterdessen beschloss die Stadt München gestern, ehemalige Zwangsarbeiter mit drei Millionen Mark zu entschädigen.