Ein Eimer voller Häme

Auch die FDP hält sich zurück. Sie fürchtet den Verweis auf frühere Skandale

Es war eine einmalige Chance. Mit einem Schlag hätte sich die FDP moralisch sanieren können. Aus der Partei der Besserverdienenden wäre die Partei der Aufrechten geworden. Trotzdem sind die Liberalen nicht aus der hessischen Koalition mit der CDU ausgestiegen.

Dabei hätte die tiefe Verstrickung der Landes-CDU in das Schwarzgeldsystem Helmut Kohls den Schritt mehr als gerechtfertigt. Auch sonst lässt Guido Westerwelle, der PR-bewusste FDP-Generalsekretär, keine Gelegenheit zur Profilierung aus. Doch diesmal setzte die Partei auf Zurückhaltung.

Offenbar ging es bei der Entscheidung nicht nur um den drohenden Machtverlust nach Neuwahlen in Hessen. „Jeder kennt Flick, jeder kennt Bangemann“, heißt es bei der FDP-Spitze, „es ist ja nicht so, dass bei uns nie was war.“ Einen „Eimer voll Häme“ würden Öffentlichkeit und politische Konkurrenz über die FDP kippen. Man fürchte den Vorwurf: „Die Erben von Lambsdorff und Bangemann präsentieren sich als Saubermänner.“ Der Eindruck von den anständigen Liberalen müsse sich langsam durchsetzen.

Seit die CDU im Spendensumpf versinkt, hat die FDP einen Traum: Nie wieder gedemütigt werden, nie wieder um „Leihstimmen“ betteln müssen. Die FDP hofft neuerdings, sich aus der Rolle eines Anhängsels der Christdemokraten lösen zu können.

In den Jahren der schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene war die FDP immer wieder von ihrem großen Partner an den Rand gedrängt worden. So selbstherrlich wie Kanzler Kohl mit seiner Partei umsprang behandelte er auch die FDP. Mal bremste er sie bei Regierungsvorhaben aus, dann wieder päppelte er sie zum Zweck des Machterhalts auf. Solche Gesten waren dem liberalen Selbstbewusstsein abträglich.

Jetzt machen sich die Freidemokraten Hoffnung auf Zuspruch heimatloser Wähler. Gestern zum Beispiel lockte FDP-Fraktions- und Parteichef Wolfgang Gerhardt im Saarländischen Rundfunk enttäuschte Konservative mit dem Hinweis, schließlich vertrete die FDP wie sonst nur die CDU den Gedanken einer freiheitlichen, bürgerlichen Gesellschaft. Im Bund sind die nächsten Wahlen weit, so lange setzt Gerhardt darauf, „in der Opposition stärker zu werden“.

Kurzfristig schielen die Liberalen auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in NRW. Um dort die rot-grünen Landesregierungen abzulösen, müssten ihre Zugewinne zumindest die Verluste der CDU ausgleichen. Danach sieht es zur Zeit nicht aus. Patrik Schwarz