Klangspuren im Voralpenland

■ Die Vorschau: Andreas Neumeister liest am Sonntag aus seinem Roman „Gut laut“. Die taz sprach vorab mit dem Autor

Der 1959 geborene Autor Andreas Neumeister ist mit seinen Sprüngen zwischen SlamPoetry, „richtigen“ Büchern und Musik eine der interessantesten Erscheinungen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. 1999 veröffentlichte er mit „Gut laut“ seinen dritten Roman, der sich mit der Erinnerung an die Münchener Jugend- und Musikkultur der frühen 70er Jahre beschäftigt. Es ist eine retrospektive Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang von Popmusik und subkulturellen Milieus.

taz: Fühlen Sie sich in dem Begriff „Popliteratur“ aufgehoben?

Andreas Neumeister: Das beginnt im Moment umzukippen, weil sich alle gern dieses Etikett anstecken. Es ist zum Verkaufsfaktor geworden. Vor einigen Jahren war es noch problematisch, irgendwas als Popliteratur zu bezeichnen. Es gibt wahnsinnig viel, wo nur über Popmusik geschrieben wird. In der Machart ist das aber zumeist absolut konventionell. In Texte „Fremdes“ einfließen zu lassen gehört einfach dazu.

Wie „passieren“ diese Einflüsse?

Ich mag nicht das rein Kalkulierte. Ein Vorsatz wie: Ich mache jetzt Literatur, die wie Musik funktioniert, kann nur in die Hose gehen. Die Funktionsweisen sind grundsätzlich andere. Das eine kann Musik, etwas anderes Literatur besser leisten. Bei „Gut laut“ ist es ein ständiges Pendeln zwischen einer songartigen Struktur und nachdenklicheren Passagen, die man gar nicht so umbrechen könnte, dass sie wie ein Gedicht aussehen.

Die ständigen Wiederholungen, die fast wie Loops wirken, mit immer kleinen Veränderungen, haben aber etwas Musikalisches.

Sicher, aber das ist auch nicht immer eine bewusste Entscheidung. Ich habe oft beim Schreiben Musik laufen, und dann passiert das einfach so, wie man's in der Musik hört. Das ist natürlich nicht eins zu eins übertragbar, weil ewig lange Aneinandereihungen in den Musik besser funktionieren. In der Literatur kommt viel eher der Punkt, wo es ermüdet. Man nimmt diese Effekte dann eher visuell wahr, als Statement.

In Ihren Texten kommt einem immer wieder vieles bekannt vor. Zum Beispiel haben Sie für eine Literaturbeilage mal über „Kraftwerk“ geschrieben. Das waren Teile aus „Gut laut“.

Es ging um Popfetische. Da kam ich auf „Kraftwerk“. Ich habe das Verstreute für diesen Anlass gebündelt. Wie ich grundsätzlich oft meine Texte zerlege und dann neu und mit neueren zusammensetze. Das könnte man sicher auch gegen mich wenden: Der macht nie was wirklich neues. Aber mich reizt das.

Welche Rolle spielt Musik bei Ihren Lesungen?

Ich mag es, nach der Lesung in einem Club noch aufzulegen. Aber das geht nicht immer. Ansonsten lese ich eher stakkatohaft. Und so wähle ich auch meine Texte aus, vor allem die, wo viel mit Wiederholungen gearbeitet wird. Ich setze auch für Lesungen die Texte neu zusammen. Immer ein Sampling.

In „Gut laut“ gibt es unendlich lange Listen mit Abkürzungen. Haben Sie ein Faible dafür?

Davon ist man ja täglich umgeben. Es sind extrem verdichtete, extrem aufgeladene Wörtchen. Und hinter diesen drei Buchstaben verbirgt sich ein Riesenkomplex von Bedeutungen. Oft ist auch eine Menge Arroganz dabei. Man muss es halt dechiffrieren können. Der Reiz, den es ausmacht: Eine lyrische Verschlüsselung und gleichzeitig ist es das genaue Gegenteil dessen, was man unter Poesie versteht. Außerdem haben sie eine ganz eigene optische Qualität. Fragen: Tim Schomacker

Lesung am 30. Januar um 11 Uhr im Hotel Maritim (Hollerallee 99)