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■ Kultursenator Schulte verspricht: „Mit mir wird es keinen Kahlschlag geben.“ Statt zur Axt will er zur Feile greifen und – leider, leider – zugleich auch „Förderungen einstellen“. Anmerkungen zum kommenden Horrorszenario

Das ist mal ein Satz zum Merken: „Mit mir als Kultursenator wird es keinen Kahlschlag geben“, versprach Bernt Schulte (CDU) gestern und nahm damit Stellung zum Horrorszenario der Kulturmanagement-Gesellschaft KMB. Doch eben diese KMB, die Bremens Kultureinrichtungen unter der Leitung Volker Hellers seit gestern offiziell mit Controlling und anderen Beratungsformen begleiten soll, hatte in Schultes Auftrag das Material für eine Senatsvorlage geliefert, in der ein „immenser Einschnitt in die Kulturlandschaft Bremens“ angekündigt wird. Also: Was ist nun wahr? „Immenser Einschnitt“ oder „kein Kahlschlag“? Ist alles doch gar nicht so dramatisch? Oder kommt der Kahlschlag erst, wenn Schulte schon nicht mehr Kultursenator ist? Mit Verlaub: Man möchte gemein werden angesichts der glasklar unklaren Verhältnisse im unendlichen Dauerstreit um Bremens Kulturförderung.

Dabei sollte eigentlich ein anderer Wind wehen. Mit strukturellem Denken und fundierten Hochrechnungen will die KMB den Leuten in Senat und Parlament Nachhilfe darin geben, dass politische Enscheidungen auch konkrete und über Jahre wirksame Folgen haben. Konkret auf die Kultur bezogen heißt das: Bis zum Jahr 2005 müssen Einrichtungen im Förderwert aller Bremer Museen abgewickelt werden, wenn das Defizit im Kulturbereich wenigstens auf dem aktuellen Stand von zehn Millionen Mark gehalten werden soll. Schulte drückt das Gleiche nur in Nuancen anders aus: „Das Szenario ist eine Darstellung der Problemlagen, damit die politischen Entscheidungsträger sich bewusst sind, was auf sie zukommt.“

Es ist ein Politgeplänkel. In seiner Beraterrolle liefert Volker Heller mit Hilfe der Kulturabteilung das Zahlenmaterial. Schulte delegiert Information und Entscheidung – in den Häppchen „Kenntnisnahme“ und „Beschluss“ – an den Senat weiter. Der Senat legt dem Haushaltssouverän Bürgerschaft den Milliarden-schweren Etat zur Abstimmung vor, in dem ein paar Kulturmillionen kaum auffallen. Und am Ende will's dann keiner gewesen sein.

Das ist natürlich polemisch, doch die Fakten geben zur Polemik Anlass. So gut und klar das KMB-Szenario die Verhältnisse auf den Punkt bringt, so wischi-waschi ist der politische Jargon. Unter den KulturpolitikerInnen ist niemand, der nicht irgendwo sein Synergie-Effektchen und Optimierungs-Potenzialchen entdecken würde. Carmen Emigholz (SPD) will eine Kooperation von Kammerphilharmonie und Staatsorchester, ein Programm „Kultur schafft Arbeit“ und ähnliche mehr oder weniger ehrenwerte Modelle. Senator Schulte will Einrichtungen optimieren, Bereiche aus dem Kulturetat auslagern und – leider, leider – auch Förderungen einstellen: „Hilfe zur Selbsthilfe“ heißt dieses Modell, nach dem Unterstützung befristet gewährt werden soll, bis die Einrichtungen auf eigenen Beinen stehen.

Wer das als Kulturmensch liest, wird über diesen letzten Passus schon von selbst aufjaulen. Es geht jetzt gar nicht darum, ob dieses Modell grundsätzlich unsinnig ist oder nicht. Es geht um Sprache, Politik und die giftige Wirkung von Pea-nuts. Konkret will Schulte die Filmförderung der Wirtschaft und Teile der Soziokultur dem Sozialressort zuschlagen – wobei er wohl die Aufgaben abgeben, aber das Geld behalten will. Ganz allgemein will er prüfen, ob es nicht besser ist, Leistungen einzukaufen, als sie selbst zu produzieren, Standorte zusammenlegen und fragen, ob die soziale Künstlerförderung noch so sinnvoll ist wie vor 30 Jahren. Reformbereitschaft lautet das Signal, das er an Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) und Co. funkt, damit die ihm Geld für die Umsetzung geben. Denn eins ist klar: „In zwei Jahren kann ich nicht wieder mit so einem Loch ankommen.“

Wird er aber. Schließlich hat KMB-Chef Volker Heller in Schultes Auftrag ausgerechnet, dass von dem Defizit in dem auch laut Schulte „chronisch unterfinanzierten Kulturetat“ in den nächsten Jahren kaum mehr als die Hälfte einzusparen ist. Nurfünf von insgesamt fast 28 Millionen fallen demnach unter die Rubrik „Optimierung“ – bis zu 15 Millionen Mark dagegen sind „voller Leistungsverlust“. Das Szenario liefert nur Angaben darüber, wie 17 Millionen Mark des 28-Millionen-Defizits im Jahr 2005 zu sparen sind. Für 12 bis 15 Millionen Mark oder 70 bis 87 Prozent gibt es demnach nur die Lösung: Betriebsschließungen und Stellenabbau. Schulte blieb gestern die Antwort auf die Frage danach schuldig, wie er diesen Widerspruch auflösen kann. Wenn er nicht noch andere Papiere in der Schublade hat, wird er also spätestens in zwei Jahren wieder ein Loch präsentieren müssen. Es sei denn, Schulte „stellt“ in diesem Ausmaß „Förderungen ein“. Oder er ist dann nicht mehr Kultursenator.

Christoph Köster

P.S.: Die „kultur.management.bremen“ (KMB) nimmt jetzt offiziell ihre Arbeit auf. Das achtköpfige Team berät Kultureinrichtungen und Politik. Die Auslagerung dieser Beratertätigkeit in eine eigenständige GmbH ist nach KMB-Angaben bundesweit einmalig. Laut Haushaltsplan kostet die KMB 1,35 Millionen Mark im Jahr 2000 und 1,75 Millionen Mark im Jahr 2001. Die KMB lädt VertreterInnen größerer Einrichtungen am 1. Februar zu einer Einführungsveranstaltung. Infos darüber und über die KMB unter Tel.: 160 890.