In and out of Nashville

■ Hank Williams III versteht sich als Punkrocker mit Attitude und Cowboyhut – und als legitimer Erbe seines berühmten Großvaters

Die Weisheit hat einen Bart, ist aber in diesem Fall unvermeidlich: Die besten und die schlechtesten Eigenschaften überspringen eine Generation. Shelton Hank Williams, Sohn von Hank Williams Jr. und Enkel von Hank Williams Sr., kommt nach dem Großvater. Beide sind Trinker und Drogenfresser, beide sind dickköpfig und großspurig, unkonventionell und widerborstig.

Eben das war auch der Grund, warum Hank III früher nichts mit Country zu tun haben wollte. Er hasste Nashville, auch wenn es die Stadt war, die der nur wenige Jahre währende, aber dafür umso heftigere Erfolg seines Großvaters mit aufbauen half. Denn schließlich war es auch die Stadt, die seinen Großvater am Ende umbrachte.

„In der Countrymusik ist es doch so“, sagt der Enkel, „je altmodischer man klingt, desto mehr Punk ist man.“ Der dritte Williams wurde Punkrocker, weil der erste auch einer gewesen wäre, hätte es Punk damals schon gegeben.

„Ich war ein massiver Sid-Vicious-Fan“, erzählte er dem Rolling Stone, „niemals wollte ich Country machen.“ Also trommelte und sang er in Punkbands und Heavy-Metal-Kapellen.

Er nannte sich Shelton Williams und ließ seinen zweiten Vornamen unter den Tisch fallen. Er trug Sicherheitsnadeln durch die Backe, er ließ sich tätowieren. Nach langen Jahren voller musikalischer Misserfolge, schließlich endgültig pleite nach zwei Vaterschaftsklagen, versteckte er seine langen Haare unter einem Cowboyhut, legte seinen Taufnamen zu den Akten, unterschrieb bei Curb, einem der traditionsreichsten Labels in Nashville, und versucht seitdem, als Reinkarnation des eigenen Opas Geld zu verdienen. Erste Schandtat auf dem Weg zum großen Geld war „Men with Broken Hearts“, auf der alle drei Hanks miteinander vereint wurden und der tote Grandpa dank moderner Technik als Duettpartner reaktiviert werden konnte. Es war geschmacklos. Heute tut es dem Enkel Leid.

Nun wohnt der inzwischen 27-Jährige in der Nähe von Nashville, in einem Wohnwagen. Auf seiner Debütplatte „Risin' Outlaw“ finden sich die üblichen Countrythemen wie Motels, Autos, Knarren, „Honky Tonk Girls“ und das Rendezvous mit „Devil's Daughter“. Aber auch einiges wie der „Cocaine Blues“, der dem auf sein sauberes Image bedachten Nashville-Establishment nicht gefallen dürfte.

Williams selbst allerdings gefällt seine Platte auch nicht. „Ich hasse sie“, erzählte er in nahezu jedem Interview, „ich kann mir bestenfalls zwei Songs anhören.“ Ein Song wie „Fuck Nashville“ aus seinem Live-Repertoire hat es erst gar nicht auf die Platte geschafft. So erging es auch „If You Can't Help Your Own“, den Hank III über Hank Jr. schrieb: „My daddy was a rich man, but he never called.“

Aber natürlich ist an eine Unterwanderung des Nashville-Mainstreams ernsthaft eh nicht zu denken. Stattdessen wurde „Risin' Outlaw“ monatelang von der Plattenfirma auf Eis gelegt, bis Williams sich im Sommer einer Entziehungskur unterzog, reumütig in den Schoß der Familie zurückkehrte und fortan schwor, seinen Vater wenigstens ein bisschen zu ehren.

Gnädigerweise kam die Platte nun doch noch heraus und erfüllte weder die Hoffnungen von Williams auf eine schnelle Mark noch seine Befürchtungen: „Risin' Outlaw“ ist zwar kein Cowpunk, aber dafür sind die reduzierten Arrangements knarztrocken wie bester Johnny Cash.

Es fehlen allerdings Coverversionen von Klassikern aus dem Familienschatzkästchen. Dafür klingt eben mancher eigene Song, so die US-Presse, als stamme er direkt aus dem Nachlass des Großvaters. Thomas Winkler

Hank Williams III: „Risin' Outlaw“ (Curb/Import)