Anschlag auf das Zeitalter der Männer

Ägyptens Parlament hat sich zu einem neuen Familienrecht durchgerungen. Nun dürfen sich auch Frauen von ihren Männern scheiden lassen. Doch reisen ohne Genehmigung des Gatten dürfen sie nicht ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

„Scheidung ja – reisen ohne Genehmigung des männlichen Gebieters nein“, heißt es in Zukunft für die ägyptische Frau. Nach tagelanger kontroverser und teilweise hitziger Debatte einigte sich das Parlament in Kairo schließlich gestern auf eine wenngleich bescheidene Reform des ägyptischen Familienrechts.

Kern der Neuordnung ist ein neues Scheidungsrecht. Nach dem alten, auf dem islamischen Recht, der Scharia,basierenden Gesetz, konnten sich Frauen nur unter ganz bestimmten Bedingungen scheiden lassen. Etwa, wenn der Mann sie regelmäßig und systematisch schlug, wenn er über mehrere Jahre verreist oder impotent war oder wenn er nicht für den Unterhalt der Frau sorgte.

Die Beweislast lag dabei immer bei der Frau, die die entsprechenden Zeugen berufen musste. Beispielsweise im Falle der Impotenz war das ein schwieriges Unterfangen. Der Mann indes hatte und hat es uneins einfacher. Ruft er seiner Ehefrau dreimal hintereinander zu: „Ich verstoße dich!“, so gilt er als geschieden.

Laut dem neuen Gesetz haben die Frauen nun das Recht, sich von ihrem Mann zu trennen, indem sie vor Gericht erklären, nicht mehr mit ihm zusammenleben zu können. Der Haken bei der Neuregelung ist jedoch: Wenn die Scheidungsgründe keine der bereits bisher geltenden Bedingungen erfüllen, müssen die Frauen auf sämtliche finanziellen Ansprüche gegenüber über ihrem Ex-Mann verzichten.

Waren die 445 männlichen Abgeordneten (nur neun Frauen sitzen im Parlament) bereit, die Scheidung für Ägypterinnen zu vereinfachen, zeigten sie sich bei einem anderen Gesetzesvorschlag unnachgiebig. Der ursprüngliche Entwurf des neuen Familienrechts gewährte den Frauen mehr Reisefreiheit. Bisher benötigen Frauen die Genehmigung ihres Ehemanns, um das Land verlassen zu dürfen. Laut dem anfänglichen Reformentwurf hätten die Frauen das Recht bekommen, gegen ihren Mann vor Gericht zu ziehen, wenn dieser die Reisegenehmigung verweigert. Doch die Mehrheit der Parlamentarier lehnte das gestern ab.

Mit Mühe und Not schaffte es die bescheidene Scheidungsreform zum Gesetz. Die Debatte darüber zeigte deutlich: Für viele ägyptische Männer ist das neue Gesetzeswerk eine Verschwörung gegen ihre „gottgegebene Überlegenheit über die Frauen“. Hatte die Regierung bisher nie Schwierigkeiten, in dem von ihr kontrollierten Parlament von ihr favorisierte Gesetzeswerke durchzubringen, erwies sich dies im Fall des Familienrechts als äußerst diffizil. In der Männerriege der Regierungspartei regte sich heftiger Widerstand. Der Vorsitzende des Jugendaussschusses des Parlaments, Abdel Rahim al-Ghul, sah gar das „Zeitalter des Mannes“ untergehen und warnte vor einer bevorstehenden Ära der Frauendominanz. „Ich bin gegen das Gesetz, weil damit die Frauen über die Männer triumphieren“, erklärte der Abgeordnete der Regierungspartei. Andere Vertreter nannten den Entwurf „einen Aufruf zur Rebellion der Frauen gegen ihre Ehemänner“, die das Prinzip der Familie zerstöre.

Justizminister Faruk Seif an-Nasr dagegen verteidigte das neue Gesetz. „Die Ehe ist schließlich kein Gefängnis, sondern ein Segen“ erklärte er gegenüber den Abgeordneten. Der Großscheich der al-Ashar-Universität, der wichtigsten islamischen Rechtsautorität im Land, hatte vorab dem Entwurf bescheinigt, dass er mit dem islamischen Recht im Einklang stehe.

Ägyptische Frauengruppen sehen sich mit dem neuen Gesetz vor einem Dilemma. Für viele ist es ein Schritt in die richtige Richtung, der aber lange nicht weit genug reicht. Es sei ausschließlich ein Gesetz für reiche Frauen, denn nur sie könnten auf ihre finanziellen Ansprüche bei einer Scheidung verzichten, lautet die Hauptkritik.

Die Frauenaktivistin Magda Adli geht noch weiter. Nicht nur das islamische Recht, sondern auch die UN-Menschenrechtskonvention gegen die Diskriminierung von Frauen solle als Referenz für eine neue Gesetzgebung dienen. Diese Ansicht findet derzeit allerdings weder bei ägyptischen Männern noch Frauen eine Mehrheit. Angesichts der konservativen Stimmung im Land scheint das neue Gesetz derzeit das maximal Machbare.

Während der Debatte sah es teilweise sogar so aus, als würde die gesamte Reform scheitern. Es wäre nicht der erste abgeschmetterte Versuch gewesen, das ägyptische Familienrecht zu reformieren. Bereits vor 21 Jahren hatten Frauenrechtlerinnen mit massiver Unterstützung der damaligen Präsidentengattin Jihan Sadat einen wesentlich weiter gehenden Gesetzesentwurf vorgelegt. Jahrelang wurde dieser von den Konservativen als Teufelswerk torpediert. Am Ende landete der Vorschlag in einer zahlreichen der Schubladen des ägyptischen Justizministeriums.