Nix verstehen

■ Stefan Jeep und Ole Wulfers haben alle Fachleute verwirrt. Für ihre Arbeit „Suche und Echo“ wurden sie deshalb mit dem Bremer Kunstpreis belohnt

Der Wunsch, zu verstehen, bestimmt das Rezeptionsverhalten der meisten Kunstbetrachter. Diesen Wunsch verspürten jüngst auch einige Juroren, als sie die Video-Installation der beiden Künstler Stefan Jeep und Ole Wulfers anlässlich der Vergabe des Bremer Förderpreises für Bildende Kunst – beurteilen sollten. Verwirrung machte sich nach Betreten des dunklen Raums unter den Fachleuten breit. „Niemand verstand sofort, wie und was sich in den auf zwei Leinwänden projezierten Bildern zusammenfügte“, sagt Hans-Joachim Manske, der Direktor der Städtischen Galerie im Buntentor.

Die – wenn auch nur kurz andauernde – Überforderung der Jury wirkte sich positiv aus. Die Video-Installation „Suche und Echo“ der Künstler Jeep und Wulfs wurde mit dem 10.000 Mark dotierten Förderpreis für Bildende Kunst ausgezeichnet. Eine Summe, die den zwei Männern nun die Realisierung weiterer Projekte ermöglicht. Die offizielle Preisverleihung wird heute um 19 Uhr in der Städtischen Galerie im Rahmen der Ausstellungseröffnung durch den Kultursenator Bernt Schulte stattfinden.

Das visuelle Erlebnis von „Suche und Echo“ kann in Worten nur bedingt vermittelt werden. Das ist nicht zuletzt die Haltung der beiden Künstler, die mit einem „Am besten, wir schauen uns das an“ auf die Bitte reagieren, einige Worte über ihr Kunstwerk zu verlieren. Und so tauchen wir ein in den nur durch zwei Leinwände erhellten Raum.

Der Blick fällt sogleich auf die rechte Leinwand, auf der man sich selbst und die anderen Anwesenden sieht. Eine installierte Videokamera filmt das Rauminnere und projeziert die Bilder auf die Leinwand. Doch ganz unvermutet wird der lineare Ablauf der Bilder unterbrochen. Andere, ebenfalls in dem Raum gefilmte Bilder, sind plötzlich zu sehen und schieben sich in kurzen, regelmäßigen Abständen zwischen die Aufnahmen der „Jetzt-Zeit“.

Es sind Bilder, die gerade noch Gegenwart waren, auf denen man sich selbst in der Pose von eben erkennt, die im Moment des Betrachtens aber doch schon wieder Vergangenheit sind. Manche der eingeschobenen Bilder scheinen auch länger zurückzuliegen, denn sie zeigen andere Menschen im Raum. Aufnahmen von gestern? Von vor einer Woche? Das bleibt ungewiss.

Ganz anders die zweite Installation im Raum. Schnelle, hektische Bildsequenzen jagen über die Leinwand. Sie zeigen einen Mann, der in zuckender Rhythmik eine Treppe weder herauf- noch herunterzulaufen scheint. Der rasende Rhythmus der Bildsignale lässt die BetrachterInnen bei längerem Hinschauen geradezu in Trance fallen. „Durch die wechselweise Verzahnung zweier – zeitlich voneinander getrennter – Bewegungsabläufe, nämlich das Hinauf- und Hinunterlaufen der Treppe, wurde der Effekt erzielt“, erklärt Wulfers.

Beide Installationen setzen sich auf unterschiedliche Weise mit der Erfahrung von Zeit auseinander, spielen mit der Dialektik von Vergangenheit und Gegenwart. Ähnlich der Funktionsweise des menschlichen Bewusstseins, das Gegenwart immer im Kontext vergangener Erfahrungen erlebt und versteht, überlagern sich in den Video-Installationen stets mehrere Zeit- und Bildebenen.

Nicht zuletzt die gewählte Darstellungsform reflektiert die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Zeit. „Im Gegensatz zum Film, der eine bestimmte Länge hat und über die Zeit der Besucher verfügt, lässt unsere Video-Installation eine individuelle Zeiteinteilung zu“, meinen Wulfers und Jeep. Und so kann man Stunden in dem kleinen, dunklen Raum verbringen oder auch ganz schnell wieder hinauslaufen. Ganz wie's gefällt. tav

Ausstellung mit den Preisträgerarbeiten sowie mit Beiträgen von 17 weiteren WettbewerbsteilnehmerInnen bis zum 20. Februar in der Städtischen Galerie, Buntentorsteinweg 112. Eröffnung heute, Samstag, 19 Uhr