Neues von der Waterkant

Greenpeace sammelt Erfahrungen als Stromhändler

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace wird zum Unternehmer: Seit Anfang Januar ist man unter die Ökostrom-Händler gegangen. Nach eigenem Bekunden habe man bisher bereits 6.000 Kunden gewinnen können. Dazu wurde im Herbst vergangenen Jahres die Genossenschaft Greenpeace energy gegründet.

Die Idee jedoch ist älter: Bereits im Sommer 1998 startete man die „Aktion Stromwechsel“. Ziel war es, den „Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, zu einem umweltfreundlichen Stromversorger zu wechseln“, heißt es bei der Organisation. Deshalb begann man zunächst, das Produkt „sauberen Strom“ zu entwickeln und zu kommunizieren. Im Verlauf der Aktion erklärten mehr als 60.000 Haushalte ihre Absicht, zu einem ökologischen Stromversorger zu wechseln. Nach einer Ausschreibung unter den Stromproduzenten entschied man sich zur Kooperation mit drei Unternehmen, einem Stadtwerk und zwei Windparkbetreibern. Seitdem wird die Hamburger Greenpeace-Zentrale allein mit Ökostrom versorgt.

Doch war das Potenzial von 60.000 Interessenten zu gewaltig, um es brachliegen zu lassen. Deshalb machte man Nägel mit Köpfen. Ziel ist „die Belieferung von möglichst vielen Menschen mit garantiert sauberer Energie ohne Atom- und Kohlestrom zu fairen Preisen“. Konzept: der Bezug von Strom zu mindestens 50 Prozent aus Wind, Wasser, Sonne und Biomasse sowie maximal 50 Prozent aus klimaschonender Kraft-Wärme-Kopplung auf Basis von Erdgas. Der Solarstromanteil soll mindestens ein Prozent betragen.

Dabei versteht sich Greenpeace energy als „Einkaufsgenossenschaft“, die die Interessen der Kunden wahrnimmt: Sie können selbst am Unternehmen teilhaben. Wer Mitglied werden will, zahlt eine einmalige Einlage von 100 Mark. Aber niemand muss Genosse werden, um sich von Greenpeace mit Strom beliefern zu lassen. Die Herkunft und die Menge des gelieferten Stroms werden „permanent elektronisch überwacht und durch einen unabhängigen Gutachter kontrolliert“. Dabei fügen die Manager nunmehr den bereits allseits bekannten Farben ein weiteres, etwas aberwitziges Attribut hinzu: Man verkaufe „gläsernen“ Strom, heißt es, weil die Ergebnisse der Gutachten schließlich regelmäßig veröffentlicht würden.

Im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags hat man die Stadtwerke Schwäbisch Hall damit beauftragt, alle „erforderlichen Maßnahmen zur Vollversorgung der Stromkunden durchzuführen“. Dabei wird der Strom „zeitgleich“ ins öffentliche Stromnetz eingespeist: Die Produktion ist genauso hoch wie der tatsächliche Verbrauch. Um die Bedeutung zu erklären, muss man in Bildern sprechen: Man stelle sich die Stromproduktion und den Stromverbrauch als See vor, dessen Wasserfläche Tag und Nacht immer gleich groß sein muss, um seine Funktion erfüllen zu können. Physikalisch bedeutet das, die Stromspannung zu halten, andernfalls würde das Stromnetz zusammenbrechen. Um dies zu erreichen, muss dem Reservoir genauso so viel zugeführt werden (Stromproduktion), wie abgenommen wird (Verbrauch). Derzeit wird der Strom-See vorrangig durch Atom- und Kohlestrom gespeist. Doch je mehr Stromerzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energien ihren kostbaren Saft einspeisen, desto mehr wird, bildlich gesprochen, der Anteil an Atomstrom zu Gunsten ökologischen Stroms verdrängt. Dieses Bild jedoch beinhaltet, dass jegliches Versprechen, der Kunde würde mit dem Kauf von Ökostrom auch seine elektrischen Geräte derzeit schon mit eben diesem Strom versorgen, absurd ist: Die verbrauchte Energie stammt aus dem Strom-See, so dass immer auch – anteilig – Atomstrom durch die Leitungen fließt.

Und genau an diesem Punkt ist das Greenpeace-Modell derzeit noch verwundbar: Nach wie vor werben die Organisatoren damit, dass der Kunde garantiert keinen Atomstrom beziehe – eine Aussage, die einem anderen Unternehmen in Hamburg bereits einen Prozess beschert hat. Die Plambeck AG hatte ebenfalls damit geworben, Energie aus ökologischen Quellen anzubieten – was die Firma Lichtblick auf den Plan rief, die nachwies, dass dem nicht so sei. Plambeck musste fürderhin auf seine Werbekampagne verzichten, schoss aber zurück: Denn Lichtblick warb seinerseits damit, eben nur ökologischen Strom anzubieten, mithin dem Kunden keinerlei Atomstrom zu verkaufen. Dagegen zog Plambeck wiederum vor Gericht und ließ diese Aussage der Konkurrenz verbieten – auf Grundlage des geschilderten Strom-See-Modells, demzufolge eben aus dem öffentlichen Netz niemand reinen Ökostrom beziehen könne, selbst wenn er diesen bestellt und bezahlt. Bei Greenpeace hat sich bislang noch niemand gemeldet.

Die Greenpeace-Kalkulation geht vorerst davon aus, dass sich die Genossenschaft dann wirtschaftlich betreiben lasse, wenn sie mindestens 5.000 Kunden akquirieren könne. Kosten des Greenpeace-Produkts: 34,95 Pfennig pro Kilowattstunde inklusive aller Steuern, 9,90 Mark Grundgebühr im Monat, 65 Mark Mess- und Grundgebühr pro Jahr, die man an die Netzbetreiber weitergeben muss. Ziel ist es, in den nächsten drei Jahren rund 10.000 Kunden beliefern zu können. Dann will Greenpeace energy schwarze Zahlen schreiben. alo