Nordirlands Autonomieregierung steht vor dem Aus

Wenn die IRA bis zum 12. Februar keine Waffen abgibt, könnten Nordirlands Unionisten die Regierung kippen. Um das abzuwenden, erwägt London, sie schon vorher abzusetzen

Dublin (taz) – Die britische Regierung hat angedeutet, dass die nordirische Mehrparteienregierung, die erst vor acht Wochen angetreten ist, vorübergehend suspendiert und die Krisenprovinz wieder direkt von London aus regiert werden könnte. Damit will man dem nordirischen Premierminister und Unionistenchef David Trimble aus der Klemme helfen. Er muss sich am 12. Februar dem Rat seiner Partei stellen. Und, wie Reg Empey, unionistischer Abgeordneter im Belfaster Regionalparlament, sagt: Die Geduld der Unionisten „ist völlig am Ende“.

Am Donnerstagabend sagte Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams, die Irisch-Republikanische Armee (IRA) werde ihre Waffen so schnell nicht abgeben. „Sie sollten das Thema mal vom Standpunkt der IRA aus betrachten“, sagte Adams und meinte, die Unionisten sollten Geduld haben. Aber am kommenden Montag will der kanadische General John de Chastelain, der die Abrüstungskommission für Nordirland leitet, seinen Bericht vorlegen. Der Bericht wird im Ton wohl positiv sein, doch konkrete Fortschritte bei der Waffenabgabe kann de Chastelain nicht vermelden.

Im November 1999 hatte Trimble den Unionistenrat nur mit Mühe dazu bewegen können, einer Regierung mit Sinn-Féin-Beteiligung ohne vorherige Waffenabgabe der IRA zuzustimmen. Als Preis musste Trimble eine Rücktrittserklärung hinterlegen, die in Kraft tritt, wenn die IRA bis zum 12. Februar nicht mit der Abrüstung begonnen hat. Damit wäre die Regierung geplatzt. Wird sie jedoch zuvor von London suspendiert, hätte man zumindest eine Galgenfrist für weitere Verhandlungen gewonnen.

Sinn Féin beschuldigte die britische Regierung gestern, durch die in Aussicht gestellte Aussetzung der Regierung unnötigen Druck auf die IRA auszuüben. Das werde nicht funktionieren, sagte ein Sprecher, sondern es werde den Verfechtern einer politischen Lösung in Sinn Féin das Leben schwer machen. Sei die Regierung dagegen erst mal zwei Jahre erfolgreich im Amt, werde es auch in der IRA kaum noch jemanden geben, der für den bewaffneten Kampf eintrete. Den Unionisten sei lediglich daran gelegen, Sinn Féin mit dem „künstlichen“ Ultimatum politisch zu isolieren. Der britische Nordirlandminister Peter Mandelson rief beide Seiten gestern dazu auf, einen kühlen Kopf zu bewahren und den Abrüstungsbericht abzuwarten.

Am vorigen Montag hatte die Londoner Regierung ein Gesetz verabschiedet, das es Mitgliedern des irischen Parlaments künftig gestattet, sich ins britische Unterhaus und in die Belfaster Regionalregierung wählen zu lassen. Dieses Privileg war bisher Commonwealth-Ländern vorbehalten. Die Tories und die nordirischen Unionisten haben vehement dagegen protestiert, weil es ein unzumutbares Zugeständnis an Sinn Féin sei: Deren Mitglieder könnten unter Umgehung des Eids auf die Königin, quasi durch die Hintertür, ins britische Parlament.Ralf Sotscheck