Der abgemagerte Hoffnungsträger

Roland Koch, Ministerpräsident und CDU-Chef von Hessen, kämpft – nur noch für Roland Koch. Währenddessen werden Kanthers Haus und Büro durchsucht, Weyrauch gibt sein Parteibuch zurück ■ Von K.-P. Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) – „Hinstehen statt wegducken.“ Die früher ausgerechnet von Manfred Kanther gepredigte, angeblich soldatische Tugend der Übernahme von Verantwortung, auch in schlimmen Zeiten, ist seit dem Offenbarungseid des früheren Generalsekretärs der hessischen CDU vom 14. Januar 2000 auch das Credo von Ministerpräsident Roland Koch. Wegducken in der Krise der Union werde er sich ganz bestimmt nicht, sagt der 41 Jahre alte Chef der hessischen CDU trotzig, zuletzt am vergangenen Sonnabend in Hofheim. Das impliziert das Hinstehen. Und die Delegierten des Kleinen Parteitags überschütteten ihn dafür mit Beifall. Da zeigte Koch erstmals seit Tagen wieder sein jungenhaftes Lächeln von den Wahlplakaten vom Februar 1999.

Ausgerechnet Helmut Kohl riss die Partei zum Entsetzen des „Kohlianers“ Koch in den Abgrund. Und ausgerechnet Manfred Kanther, sein verehrter Freund und Förderer, outete sich in Hessen als „Dunkel- und Übelmann“, so Rupert von Plottnitz von den Grünen. Gegen Kanther ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Untreue; sein Wohnhaus in Heßloch wurde gestern durchsucht, des Weiteren sein Abgeordnetenbüro in Berlin und die Sozietät in Biebrich, wo Kanther als Anwalt arbeitet.

Die Alten haben sich also selbst diskreditiert. Deshalb muss Koch hinstehen: damit die CDU in Hessen nicht ganz unter die Räder kommt; damit der „Hoffnungsträger“ Koch nicht selbst noch im Spendensumpf versinkt.

Sein Freund und Weggefährte Franz Josef Jung, Staatsminister im Kabinett und Leiter der Staatskanzlei, hängt Koch schon heute wie ein Klotz am Bein. Während Koch (noch) von vielen abgenommen wird, dass er tatsächlich „nichts gewusst“ habe von den finsteren Machenschaften der Alten, glaubt dem Kanther-Nachfolger im Amt des Generalsekretärs, Jung, in Wiesbaden kein Mensch mehr. Nach Informationen der taz hat ein ehemaliger Mitarbeiter der CDU-Landesgeschäftsstelle, der die Partei 1991 und 1992 mit gefälschten Schecks um eine Million Mark prellte, Jung erst vor wenigen Tagen schwer belastet. Jung habe schon damals von den schwarzen Konten in der Schweiz gewusst, sagte der Buchhalter, der wohl zweimal versuchte, mit seinem Wissen über die illegalen Praktiken der Hessen-Union die Partei zu erpressen.

Diese These dementieren wollte Koch in Hofheim nicht. Aber auch nicht den für Jung so schmeichelhaften Satz wiederholen, der ihm davor noch locker über die Lippen ging: „Ich glaube Jung.“

Koch glaubt inzwischen überhaupt nichts mehr, nur das, „was mit Belegen bewiesen ist“. Täglich neuer Horror: knapp 20 Millionen Mark verschoben, rund acht Millionen „verschwunden“. Koch lächelt schon wieder nicht mehr. Aber er kämpft noch. Doch jetzt nur noch für Koch. Wer mit 37 Jahren Chef einer Landtagsfraktion wird und mit 40 Jahren Landesvorsitzender und dann auch noch Ministerpräsident, lässt sich die Karriereträume nicht „von den wenigen, die Fehler gemacht haben“ (Koch), zerstören. Koch will noch was werden. Kanzler vielleicht?

Koch kämpft – an der „Spitze der Aufklärungsbewegung“, wie die Opposition ketzerisch anmerkte; vorbildlich protektioniert von seinen Paladinen um den Partei- und Fraktionspressesprecher Christian Schnee und den Sprecher der Landesregierung, Dirk Metz. Vor allem Metz ist resistent gegen Krisen, seit er als Hallensprecher den Niedergang der Handballmannschaft SG Wallau-Massenheim aus dem Stegreif heraus kommentieren musste.

Doch wie lange hält Koch die täglichen Nackenschläge der Opposition und die immer neuen niederschmetternden Nachrichten aus dem eigenen Sumpfgebiet aus? So taufrisch wie noch vor Wochenfrist kommt er heute nicht mehr daher. Auf der Pressekonferenz am Donnerstag wirke er wie paralysiert. Auf den Vorwurf, die Werbung für sein Buch „Vison 21“ sei mit schwarzem Geld finanziert worden, blieb er eine Antwort schuldig.

Hängt er schon in den Seilen? Immerhin abgenommen habe er bei all dem Stress, sagt Koch, der doch so gerne kocht.

Gestern dann noch ein Dämpfer für Koch. Anlageberater und „Zaunkönig“ Horst Weyrauch, der bis zum Wochenende einen „umfassenden Bericht über alle Vorgänge schreiben“ sollte, von dem sich Koch „weitere Aufklärung“ erhoffte, ist überraschend aus der Partei ausgetreten. Rupert von Plottnitz wunderte sich ohnhin: „Ist Herr Weyrauch jetzt auch schon zum Chefaufklärer avanciert?“