Sechs Leute sind ein Trio

■ Die Vorschau: Jazz ist nicht tot. Der Ex-Indie-Rocker Micha Acher hat Verblüffendes in dieser Musik entdeckt. Morgen tritt er hier auf

Der Jazz erhielt nicht erst einmal Frischzelleninfusionen von seinen kleineren und lauteren Geschwistern. Rock, Punk und Hardcore näherten sich jeweils auf ihre Weise dem oft als etwas dünkelhaft verschrieenen Jazz. Dabei entdeckten sie völlig neue musikalische Möglichkeiten und vor allem auch verblüffende Gemeinsamkeiten, was beispielsweise die Intensität von Lebensführung anging. Eine Radikalität, sowohl in verdichteter Komplexität als auch deren Gegenteil, der Auflösung von Form, die weit über das hinausging, was „Rock“ aufzuweisen hat.

Nachdem vor zehn Jahren im Umfeld des kalifornischen Labels SST Platten von Bands wie Universal Congress Of, October Faction und Bazooka erschienen waren, die sich mit der Energie von Punkrock des matt gewordenen Jazz annahmen, werden in letzter Zeit vermehrt Leute (zumeist so um die Dreißig) gesichtet, die die Neunziger in der Hauptsache als Mitglieder von Rockbands bestritten, in letzter Zeit jedoch eine Musik spielen, die ein Spex-Schreiber unlängst mit dem schalkhaften Begriff „Indie Jazz“ belegte. Projekte wie das Kammerflimmer Kollektief, Orchester 33 1/3 und das Tied & Tickled Trio, allesamt irreführende Namen, weil das Kollektief eher eine Ein-Mann-Geschichte, das Orchester kein solches und das vermeintliche Trio ein Sextett ist, schlagen den großen Bogen von analog zu digital und verbinden Jazz mit Elektronik.

Micha Acher, Bassist beim Tied & Tickled Trio, spielt auch bei The Notwist, die im vorletzten Jahr das in ihre Rockmusik einfließen ließen, was das T&TT schon auf seinem ersten Album entworfen hatte. Eine instrumentale, von Talk Talk, Jazz und Filmmusik inspirierte Musik, die eher zufällig entstand, wie Micha Acher, Bassist bei T&TT erzählt. „Ursprünglich war es ein Duo mit Markus (Acher, Michas Bruder und auch bei No-twist) und ,Kaschper', die haben zu zweit mit Schlagzeug gespielt. Sie wollten dann noch andere Sachen dazunehmen, um das zu erweitern. Da kam dann der Andreas (Gerth) dazu mit Elektronik, und ich habe Bass gespielt. Als wir die erste Platte aufgenommen haben, haben wir Johannes (Enders) gefragt, ob er nicht Lust hätte, Bläsersätze zu arrangieren. Das hat uns so gut gefallen, dass wir im Prinzip bei dieser Musik geblieben sind.“

Ist es denn Zufall, dass aus dem Notwist/Weilheim-Umfeld in letzter Zeit mehrere Projekte kommen, die sich mit Jazz beschäftigen?

„Man kann ja nicht immer bei dem bleiben, was man seit Jahren macht. Die Interessen ändern sich. Wir hören alle wahnsinnig viel Musik und das fließt eben auch immer in das ein, was man macht. Wir interessieren uns schon sehr lange für Jazz, aber bei Notwist und unseren anderen Bands hat das nie gepasst. Und da konnten wir es endlich mal machen.“

Natürlich hat sich auch der Geschmack des Publikums geändert.

„Wir hatten bei Notwist schon früher ein Baritonsaxophon dabei. Und bei langen Soloteilen haben die Leute gepfiffen und fanden es fürchterlich, weil sie es nicht kannten und hören wollten. Jetzt ist das Publikum unglaublich aufgeschlossen. Wir machen da zehn Minuten Saxophon-Solo, völlig anstrengend, und denen gefällt's einfach. Die Hörgewohnheiten haben sich natürlich geändert.“

Obwohl sich auch Jazz-Magazine für das zweite T&TT-Album „EA1 EA2“ interessierten, bewegen sich die Weilheimer weiterhin in einer Welt, deren Parameter sie gut kennen.

„Wir nutzen natürlich die Strukturen, die wir uns mit Notwist erarbeitet haben, die sind eher Independent als Jazz, und das soll auch so sein. Wir hatten nicht vor, ein reines Jazzding zu machen.“

Deswegen hat Micha Acher auch mit dem Begriff vom Indie Jazz kein Problem ...

„Wir gehen schon mit so einer Einstellung da heran. Es ist ja sehr schwierig, eine Musik zu kategorisieren. Aber unter dem Begriff kann man sich schon etwas vorstellen.“ Andreas Schnell

Das Tied & Tickled Trio spielt am Dienstag, 1. Februar, ab 20 Uhr im Moments.