Pils und Perhorreszion

7 kleine Anmerkungen zum 52. Geburtstages von Gustav Gans

Mit einem Meter und elf Zentimetern ist Gustav, der Glückspilz, einen Zentimeter größer als Vetter Donald

1) Kein Geringerer als ausgerechnet Rock ’n’ Roll-Star Mick Jagger hat der Genetikdiskussion einen neuen Impuls verliehen. Er gestand der französischen Tageszeitung Libération, er halte sich, wegen seiner Power, für einen „genetischen Glückspilz“.

Man darf sein Diktum als eine Neuigkeit ansehen. Denn Mick ist ein erfolgreicher Musiker und Sänger, aber weltbekannt nicht als der „genetische Glückspilz“. In dieser Eigenschaft steht er bei weitem zurück hinter einem im Januar vor genau 52 Jahren bei „Walt Disney’s Comics & Stories“ # 88 eingeführten, ewig gleichaltrigen Enterich mit Vornamen Gustav.

2) Gustav Gans ist der wohl bedeutendste Glückspilz des vergangenen Jahrhunderts. Sein Vetter Donald Duck, ebenfalls Ente, aber Pechvogel, übertrifft ihn deutlich und altersübergreifend an Popularität. Beide verfügen überall dort, wo sie in Kinder- und längst auch Erwachsenenköpfen umhergeistern, über ein mit der Landessprache wechselndes Pseudonym. Gustav hat auf Spanisch sogar drei verschiedene Namen. In Argentinien heißt er „Gaston“, in Spanien „Narcisco Bello“, in Mexiko „Panfilo“. Da kann Mick Jagger einpacken. In Belgien tauften sie ihn „Jonathan de Gelucksvogel“. Ein Glückspilz ist nicht unbedingt pflanzenhaft bodenständig, sondern kann – wie sein Pendant, der Pechvogel – durchaus auch ein merkwürdiger Vogel sein.

3) Die vom legendären Carl Barks erdachte, gezeichnete und getextete Geschichte „Das Frühstückspicknick“ wurde verdeutscht durch Dr. Erika Fuchs, die geniale ehemalige Chefredakteurin der Micky Maus. Sie zeigt den Glücksvogel in eitler Pose mit der Sprechblase: „Was hast du gegen mich? Ich sehe gut aus, bin intelligent, stets tadellos frisiert und das Glück ist mir hold.“

Man ahnt, wie umstritten und unbeliebt der Enterich in Entenhausen oder Duckburg, der fabelhaften, vom Ururgroßvater gegründeten US-amerikanischen Tier-Stadt sein dürfte.

4) Die „Panzerknacker“ gehen ihrem Beruf im Gegensatz zu Trüffelschwein Eichel außerhalb des Gesetzes nach. Sie bedrohen aber wie dieser unausgesetzt der märchenhaft Reichen Besitzstände. Dagobert Duck verbringt reichlich Freizeit in seinem gigantischen Geldspeicher und badet mit Vorliebe in seinen 13 Trillionen, 224 Billionen, 567 Milliarden, 778 Millionen Talern und 16 Kreuzern. „Und alles gehört mir – mir allein!“

Neffe Donald versucht sich mit McJobs durchzuschlagen, und nur Herr Gustav Gans, ebenfalls vernefft mit Dagobert (allerdings, urteilen die Experten, eher über einen „degenerierten Zweig“), hat weder Monetenreserven noch McJobs nötig. Er ist von Natur ein „Glückbegünstigter“. Ihm wird, frei nach Aristoteles, „Eudemische Ethik“, Buch VIII, Kapitel 2, der Zufall hilfreich.

5) Mit einem Meter und elf Zentimetern ist Gustav, der Glückspilz, einen Zentimeter größer als Vetter Donald und ebenso groß wie der superreiche Megaonkel „Dollar“ Dagobert. Gustavs Lieblingsfarbe: das Glückskleegrün, sein Lieblingstier das Glücksschwein. Und natürlich schätzt er seine Lieblingspflanze, den Glückspilz, sein metaphorisches Alter ego, über alles; hingegen verachtet er Hitler, Stalin, Honecker und Daniel von und zu Abtrieb ach recht sehr.

„Das Glück liegt auf der Straße“, lautet Gustavs Motto, „man braucht es nur aufzuheben“ – und oft nicht mal das. Denn das Glück fällt ihm allerweil und freilich ungebeten in den Schoß. Als Schoßkind des Glücks benötigt er dann auch keinen Beruf. Arbeit? Pah. Haha. Wäre ja gelacht.

6) In Schwierigkeiten gerät Gustav nur, wenn er um Daisys Gunst wirbt. Trotz der schmalzlockigen Haare und vielleicht wegen der eingebildeten Augenbrauen, trotz des adretten Filzhutes und eventuell wegen des selbstgefällig verzogenen Mundes schlägt sein Herz vergeblich in Konkurrenz zu Rivale Don Donald und für beider Kusine. Da hilft kein Jammern, kein Klagen. (Aber nicht weitersagen ...)

7) Neulich erst erspähte ein Journalist Gustav Gans in der „Villa Glückspilz“, einer restaurierten Jugendstilvilla im Ostseebad Benz, Telefon: (03 83 93) 42 90, Appartementpreise in der Nebensaison: ab 90,- DM, in der Hauptsaison: ab 140,- DM. Später sah man ihn auch an der Strandpromenade herumstolzieren, ich darf versichern: Er war gansoderbesserganz vertieft in die Lektüre eines Gedichtes von Wilhelm Busch, das den schönen und wegweisenden und würdigen, ja würdigenden Titel „Glückspilz“ trägt: „Geboren ward er ohne Wehen / Bei Leuten, die mit Geld versehen. / Er schwänzt die Schule, lernt nicht viel, / Hat Glück bei Weibern und im Spiel, / Nimmt eine Frau sich, eine schöne, / Erzeugt mit ihr zwei kluge Söhne, / Hat Appetit, kriegt einen Bauch, / Und einen Orden kriegt er auch, / Und stirbt, nachdem er aufgespeichert / Ein paar Milliönchen, hochbetagt; / Obgleich ein jeder weiß und sagt: / Er war mit Dummerjan geräuchert!“

Und dies, dieses pur das Prassen preisende und womöglich ja Perhorreszion produzierende Poem, hat der unglückliche Glückspils aber echt verdient. Darauf und auf ihn – ein Pils, Herr Ober! Herbert Dormagen