500 Nazis durch Berlin

Rechtsextremisten marschieren erstmals durchs Brandenburger Tor

Berlin (taz) – Erstmals seit 1945 marschierten am Samstag Rechtsextremisten mit wehenden Reichskriegsfahnen durch das Brandenburger Tor. Aus dem gesamten Bundesgebiet waren die etwa 500 Teilnehmer – überwiegend Skinheads – zu einer Demonstration gegen das geplante Holocaust-Mahnmal nach Berlin gekommen.

Die Polizei hatte den Aufmarsch zuvor verboten, da sie ihn als Ersatz für eine in Göttingen verbotene Demonstration der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) wertete. Das Oberverwaltungsgericht der Hauptstadt hob diese Entscheidung jedoch auf. Lediglich das Mitführen von Trommeln wurde untersagt.

Die von einem großen Polizeiaufgebot begleiteten Marschierer skandierten „Keine Gelder für Grabmalfelder“, „Arbeitsplätze statt Judenhetze“ und „Holocaust? Lasst euch nicht verarschen“. Auf Plakaten forderten sie die Abschaffung des Volksverhetzungsparagrafen 130. Bei einer Zwischenkundgebung direkt am Bauplatz für das Holocaust-Mahnmal erntete der NPD-Vorsitzende Udo Voigt großen Beifall für eine Rede gegen die „Systemparteien“ und das geplante „Schandmal“ in der Mitte Berlins.

Am Rande des Aufmarsches wurden mehrfach „Nazis raus“-Rufe laut. Nach einer versuchten Straßenblockade durch Jugendliche aus dem Antifa-Spektrum wurde die Demonstrationsroute verkürzt.

Im Verlauf des Aufmarsches stellte die Berliner Polizei die Personalien von 30 Teilnehmern fest, die verbotene Symbole gezeigt und in Sprechchören die Waffen-SS gerühmt hatten. 28 Rechtsextremisten waren bereits bei Vorkontrollen festgenommen worden.

An einer Demonstration „gegen die antisemitische Normalität“ beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter knapp 700 Personen. Linke Gruppen veranstalteten zwei Kundgebungen entlang der Marschroute der Rechtsextremen.

Auf einer Kundgebung gegen die NPD in Göttingen mit 2.000 Teilnehmern forderte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, ein konsequenteres Vorgehen gegen Rassismus und Rechtsextremismus: „Es darf keine Toleranz für Rassisten geben.“ Schon den Anfängen von Gewalt müsse entgegengetreten werden. Das CDU-Mitglied verlangte auch eine Beschleunigung der Strafverfahren gegen rechtsextremistische Gewalttäter. Menschen zu hetzen oder zu schlagen sei weder eine Jugendsünde noch ein Kavaliersdelikt.

Zu der Kundgebung unter dem Motto „Eine Stadt wehrt sich“ hatten der Göttinger DGB und zahlreiche politische und kirchliche Organisationen aufgerufen. Einen von der NPD in der Universitätsstadt geplanten Aufmarsch am Samstag hatte die Stadt verboten. Vor der Kundgebung auf dem Göttinger Marktplatz waren nach Polizeiangaben 1.400 Menschen in mehreren Demonstrationszügen gegen die NPD durch die Stadt gezogen. Bei Polizeikontrollen wurden 22 linke Demonstranten und rechte Extremisten in Gewahrsam genommen. Dirk Hempel