Vom Zeugenstand ins Zwielicht

Sabine Wichmanns Aussagen haben bereits Finanzminister Schleußer den Kopf gekostet. Jetzt will die SPD ihre Glaubwürdigkeit zerstören

Berlin (taz) – Für die CDU im Düsseldorfer Landtag war die Frau in Schwarz ein Geschenk des Himmels: Immer wieder hatte die Opposition den Kopf des SPD-Finanzministers gefordert. Die Ex-Stewardess lieferte ihnen Heinz Schleußer auf dem Silbertablett. Denn keiner kennt die Details jener „Luftnummern“, die den Sturz des Genossen besiegelten, so genau wie Sabine Wichmann.

Kühl, selbstbewusst und mit einem faszinierenden Erinnerungsvermögen tischt die 33-Jährige dem Untersuchungsausschuss immer neue Unappetitlichkeiten auf: Detailliert bis in die Intimsphäre der verdächtigten SPD-Granden berichtet sie von vermeintlichen „Dienstflügen“ zu Urlaubsdomizilen. Mal erschien die Politprominenz in Gummistiefeln und Anglermontur, mal mit Freundin. Stets zahlte die WestLB.

Über die Luxustrips der Stammpassagiere Johannes Rau und Schleußer weiß Sabine Wichmann bestens Bescheid: Jahrelang führte sie die Bücher der kleinen, feinen Chartergesellschaft PJC ihres 1997 verstorbenen Ehemanns Peter. Als Stewardess sorgte sie für das Wohl der fliegenden Genossen. Jetzt bringt das Detailwissen der angriffslustigen Zeugin auch Ministerpräsident Wolfgang Clement und seinen Vorgänger, den amtierenden Bundespräsidenten Johannes Rau, in Erklärungsnöte.

Entsprechend nervös und gereizt reagieren die Politprofis der SPD, sobald die schwarz gekleidete, schwarzhaarige Frau ins Blitzlichtgewitter tritt. Wenn die „schwarze Witwe“ aussagt, ist der Ausschusssaal zum Bersten voll. Staatsanwaltschaft und Oppositionspolitiker nennen sie “glaubwürdig“, selbst der grüne Regierungspartner ist beeindruckt von ihrer Souveränität. Edgar Moron, SPD-Obmann im Ausschuss, kennt dagegen nur ein Rezept: Er will die Glaubwürdigkeit der Kronzeugin erschüttern.

Die ersten, die Wichmanns Bedeutung für den Fall erkannten, waren die Redakteure vom Spiegel. Noch bevor die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft die Witwe Ende Dezember 1999 im Ermittlungsverfahren gegen Schleußer vorlud, griff das Magazin zu und kaufte das belastende Material: 17 Umzugskartons voller Akten. 100.000 Mark zahlte der Spiegel dafür. 48.600 Mark davon kassierte Wichmann, den Rest ihr früherer Anwalt und ein PJC-Mitarbeiter. Keine ungewöhliche Summe, bestätigt das Blatt auf taz-Anfrage. Man werde sogar noch drauflegen, wenn die Kronzeugin Belege für Privatflüge von Ministerpräsident Clement anbringe. Aber diesmal konnte Wichmann nicht liefern.

Stattdessen bot sie ihren Feinden weitere Angriffspunkte: In zehn Punkten musste sie vor dem Ausschuss eine frühere eidestattliche Erklärung revidieren. Sie habe den Text nur überflogen, behauptet Wichmann. Ihr ehemaliger Anwalt habe die Story ausgeschmückt, um Geld aus dem Wissen seiner Mandantin zu schlagen, schreibt der Spiegel. Moron bezweifelt die Version und will den beteiligten Notar vorladen.

Seit Wochen weiden sich SPD-Parlamentarier an Schmierengeschichten um die Geldnöte, den „sündhaft teuren“ Lebensstil und das angeblich zwielichtige Umfeld der abgebrannten Witwe. Neuen Zündstoff liefern jetzt die Testamentsvollstrecker des verstorbenen PJC-Chefs: 1,4 Millionen Mark aus dessen Nachlass habe die Witwe verschleudert, berichtet der Stern. Belege dafür sollen von der WestLB gekommen sein. Alleinerbin sei jedoch die sechsjährige Tochter, so das Blatt. Wenn sie das Geld nicht zurückzahle, drohe Sabine Wichmann eine Anzeige wegen Untreue.

Edgar Moron möchte wissen, wovon. Die Pleite der Chartergesellschaft habe eine Steuerschuld von knapp 4 Millionen hinterlassen. „Finanziell steht Frau Wichmann vor dem Abgrund“, behauptet der SPD-Politiker. Schon vor Monaten habe sie versucht, ihre Enthüllungen zu Geld zu machen. „Weder die WestLB noch irgendeine Zeitung in der Region wollte auf ihre Millionenforderungen einsteigen.“ Der Spiegel-Deal spreche für sich.

Glaubt man den Details, die Moron aus dem Ausschuss berichtet, so ist Geld nicht das einzige Motiv für das Vorpreschen der Pilotenwitwe: Monate vor seinem Krebstod im Oktober 1997 habe Peter Wichmann seine Frau aufgefordert, einen Kleinkrieg gegen die WestLB anzuzetteln. In Briefen, die dem Ausschuss vorliegen, schreibt der bankrotte Flugunternehmer, er fühle sich von Bankchef Friedel Neuber im Stich gelassen. Jetzt, mehr als zwei Jahre später, erfüllt Sabine Wichmann den Wunsch des Verstorbenen. Schleußer wird wohl nicht das einzige Opfer ihres Feldzugs bleiben.

Daran hat auch Edgar Moron keinen Zweifel: Sobald der Ausschuss mit der Kronzeugin fertig sei, drohe ihr ein Verfahren. „Frau Wichmann hat so viele Dinge am Hals. Die Frau ist verbrannt.“

Markus Wierz