Das Lachen hinter dem Schalter

Was die Fotografie nicht alles der Bank versprach: Die Akademie der Künste spürt den „urbanen Strategien der Selbstinszenierung“ von Mensch und Architektur nach und zeigt aus der Sammlung der DG Bank „Das Versprechen der Fotografie“ ■ Von Brigitte Werneburg

Fotografie! Die musste den Mitarbeitern einfacher zu vermitteln sein als kostbare altmodische Fettecken

Eine Bank sammelt Fotografie und fördert junge Fotografen. Warum? Eine Bank hat dafür Gründe, von denen das Herz bestimmt nichts weiß. Höchst vernünftige Gründe also, die Corporate Identity heißen. Als Luminita Sabau 1993 den Auftrag übernahm, für die DG Bank in Frankfurt eine Kunstsammlung und ein Kunstförderungsprogramm aufzubauen, besagten Recherchen, dass es bei den um kulturelles Kapital konkurrierenden anderen Geld- und Versicherungsinstitutionen so gut wie keine fotografische Sammlung gab. Hier fand sich also die Lücke, in der man sich ohne weiteres in Alleinstellung profilieren konnte.

Fotografie! Ein Lachen der Erleichterung muss den Bankenvorstand ergriffen haben. Genial. Fotografie, das war doch zuerst einmal um einiges billiger als zeitgenössische Konzept- und Installationskunst. Und da die Corporate Collection der DG Bank weniger als repräsentative Sammlung denn als Sammlung und Kunst-Anstoß für die Mitarbeiter gedacht war, konnte es nur beruhigen, dass der Preis der Sammlung nicht zu hoch lag. Fotografie! Die musste den Mitarbeitern einfach sehr viel leichter zu vermitteln sein als wertvolle altmodische Fettecken oder Bilder von Menschen und Dingen, die ständig auf dem Kopf gehen und stehen.

Und muss die Fotografie nicht auch als Schlüsselmedium der zeitgenössischen Kunst gelten? Zwar ist sie älter als alle Formen, die die Gegenwartskunst hervorgebracht hat, aber zugleich noch immer jung, noch immer unverbraucht, noch immer innovativ. Die Fotografie ist ein Medium, das die Bilderwelt des 20. Jahrhunderts geprägt hat wie kein anderes, und gleichzeitig ein Medium, dessen Emanzipation im Raum der Kunst vor gerade mal dreißig Jahren begonnen zu haben scheint. Apropos Emanzipation: Finden sich nicht hier genauso viele bedeutende Künstlerinnen wie Künstler? Schon wieder ein Problem gelöst! Fotografie! Was versprach sie nicht alles der Bank!

Und lieferte dazu den ehrlichen Titel „Das Versprechen der Fotografie“, unter welchem das Geldinstitut seine seither gesammelten Schätze erstmals öffentlich macht. Nach Stationen in Tokio, Hannover, Paris und New York traf nun in Berlin Matthias Flügge, Vizepräsident der Akademie der Künste, die Auswahl, die den Fundus in die Ausstellung umwälzt. Er hat keinen schlechten Job gemacht. Natürlich fragt man sich, wenn man zunächst auf Hanne Darbovens über hundertteilige Arbeit „Das Jahr 1990 Gedankenstrich (+1)“ trifft, was diese Terminkalenderschreiberei nun mit Fotografie und weiter mit Flügges Rahmenthema zu tun hat, das den „urbanen Strategien der Selbstinszenierung“ von Mensch und Architektur nachspürt. Bei Marie Jo Lafontaines großformatigen Porträts von drei jungen Mädchen ist die Sache evident. Deren Styling ist metropolitan, ist down town, das geht in Ordnung. Nun ja, um Darboven Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Der Terminkalender ist auch kein Ding ländlicher Beschaulichkeit.

Wahrscheinlich klären sich so noch eine Menge anderer Hängungen, die auf den ersten Blick etwas gezwungen erscheinen. Das Suchspiel hat es jedenfalls in sich. Da gibt es die großen Namen, etwa aus den 60ern Dan Graham, John Baldessari, Polke und Wahrhol, aus den 70ern Valie Export, Ulrike Rosenbach, Gordon Matta-Clark oder Klaus Rinke, aus den 80ern Cindy Sherman, John Waters, Richard Prince, aus den 90ern Wolfgangs Tillmans, Philip-Lorca diCorcia – und nun fragt man sich: Was wird von ihnen gezeigt? Die bekannten oder die unbekannten Bilder? Wo steckt in ihnen die Stadt, der städtische Mensch?

Gibt die Sammlung Nebenwege her, anderes Material als das sattsam bekannte, neue, junge Namen? Und vor allem: Auf wen hat man zur Abwechslung mal verzichtet? Auch das kann eine Auswahl stark machen. Matthias Flügge hat Nebenwege gefunden, andere Namen, junge Künstlerinnen wie Heike Baranowsky, und er hat durchaus auf die Idee des Verzichts gesetzt. So fehlt zum Beispiel Nan Goldin, die man unbedingt erwartet hätte, und das ist gut so und keine Abwertung, eher ein Zeugnis des Respekts. Sie muss nicht im Naheliegenden untergehen. Auch Nobuyoshi Araki nicht, von dem Flügge Bilder spielender Großstadtkinder aus den 60ern zeigt. Überraschend auch Sean Synder mit einer Fotoserie aus den 90ern, „Paris Banlieu“, die die Absurdität architektonischer Fassadengestaltung leicht melancholisch dem Gelächter preisgibt. Man würde gern mehr über Synder erfahren, doch auch der DG-Bank-Katalog hilft da nicht weiter.

Dazu durfte die Schau auch lokal werden mit Arno Fischer als DDR-Altmeister und mit Eva & Adele, die sich der Presse im schicken Recyclingnerz an ihrer Ausstellungsvitrine präsentierten. Hier finden sich all die Schnappschüsse, die ein weltweites Vernissagenpublikum von ihnen schoss. Fotografie! So simpel, so kommunikativ, so viel versprechend. Uff.

Bis 5. März, Hanseatenweg 10, Di.–So. 10–19, Mo. 13–19 Uhr