Deutscher Handball sehr europameisterlich

Ausländische Spieler der Bundesliga triumphieren bei der EM in Kroatien, nur die Nationalmannschaft verkümmert auf Platz 9 nach einem dünnen 19:17 gegen Dänemark

Zagreb (taz) – Nein, gut geht es dem deutschen Handball nicht: Nur Neunter ist die Nationalelf geworden durch ein 19:17 gegen Dänemark, dem einzigen Sieg überhaupt. Und leicht haben es die Offiziellen auch nicht: „Es ist doch so“, resümiert Horst Bredemeier, Ex-Nationaltrainer und heute Fernsehkommentator, „dass wir die anderen Mannschaften stark machen: Die besten Spieler der Welt verdienen in der Bundesliga ihr Geld. Sie können bei uns unter den besten Voraussetzungen und auf einem Spitzenniveau trainieren und spielen. Wir steigern damit das Niveau der anderen Nationen erheblich und schwächen gleichzeitig unser Team.“

Das Bosman-Urteil hat auch im Handball Folgen. Bei den Olympischen Spielen 1992, seinem letzten Auftreten als Chefcoach, hatte Bredemeier diese Sorge nicht. Damals hatte er die undankbare, eher politische Aufgabe, aus den traditionsreichen Teams aus Ost und West eine gesamtdeutsche Nationalmannschaft zu formen, was mit Platz 10 gründlich in die Hose ging. Heute schlägt in Bredemeiers Brust in erster Linie das Herz des Handballmanagers – er muss, ebenso wie seine Ligakollegen, für eine konkurrenzfähige und für Sponsoren attraktive Mannschaft sorgen, für volle Hallen und Medienpräsenz.

In Minden ist ihm das bisher sehr gut gelungen. Und jetzt hat zwar nicht der Deutsche Frank von Behren eine Medaille mit nach Minden gebracht, sondern Martin Frandesjo (Schweden), die Russen Aleksandr Tutschkin und Dimitri Kusilew sowie Talant Duschebajew (Spanien).

Schweden und Russland demonstrierten im Finale einmal mehr ihrer extraordinäre Stellung im europäischen (und somit im Welt-)Handball. Die Spanier waren zwar mit 21:23 in einem nervenaufreibenden Semifinale nah daran, dem Drei-Kronen-Team den Einzug ins Finale zu verwehren, mussten sich aber doch der Routine von Wislander, Olsson, Thorsson und vor allem Torwart Peter Gentzel beugen. Frankreich war weiter von einer Sensation entfernt: „Wir sind am Ende unserer Kräfte angelangt. Wir haben eine hervorragende Vorrunde gespielt, mehr waren wir nicht zu leisten im Stande“, sagte ihr Trainer Daniel Costantini nach dem 23:30 gegen Russland. Immerhin: Sein Angreifer Jackson Richardson (TV Großwallstadt) spielte in Kroatien ein schlicht sensationelles Turnier.

Im Spiel um Platz 3 hatte sich Spanien knapp mit 24:23 gegen Frankreich durchgesetzt. Gold holte wie bereits 1998 Schweden, hauchdünn nach zweimaliger Verlängerung. Die Russen hatten lange mit zeitweilig sechs Toren Vorsprung wie der sichere Sieger ausgesehen und führten auch bei Halbzeit der ersten Verlängerung mit drei Toren. Doch schließlich gewannen die Schweden durch einen Treffer von Markus Wislander (THW Kiel) mit 32:31.

Und da war noch das Spiel um Platz 5. Den erkämpfte sich Slowenien mit 25:24 gegen die gastgebenden Kroaten im mit 8.000 Zuschauern zum Bersten gefüllten Dom Sportova und entriss dem favorisierten Nachbarn in letzter Sekunde das Olympiaticket. Schaurig schöne Szenen spielten sich ab, die die Nerven des Publikums, das zeitweilig aus einer einzigen Masse zu bestehen schien, zu zerreißen drohten. Für die kroatische Rückraumlegende Zlavtko Zarazevic (37) war es die letzte Chance zum Ende einer langen Sportlerkarriere. Nachher saß er kleiner als das sprichwörtliche Häufchen Elend auf dem Hallenboden und weinte hemmungslos.

Vielleicht war Kroatiens Niederlage schlicht späte Gerechtigkeit. Dazu muss man wissen, dass dem französischen Nationaltrainer von kroatischen Offiziellen vor dem direkten Vergleich beider Teams Bestechungsgeld angeboten worden war. Bei einer Niederlagen Frankreichs wäre Kroatien statt Spanien in die Halbfinals eingezogen und hätte damit die Olympiafahrkarte sicher in der Tasche gehabt. „Etwas, was sich im Handballsport bisher meinem Vorstellungsvermögen entzog“, sagte nachher der 56-jährige Costantini.

Anke Barnkothe