„Es gibt auch andere schöne Länder für Urlaubsreisen“

Die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek plädiert für die internationale Isolierung der Alpenrepublik

taz: Soll man mit Jörg Haider sprechen?

Elfriede Jelinek: Ich würde nicht mit ihm sprechen, weil es völlig sinnlos ist, weil ich weiß, dass er ein Kommunikationsgenie ist. Ich weiß, dass er reizend wäre,wenn er mit mir spricht. Er würde mir das Gefühl geben, dass er vollkommen meiner Meinung ist und auch alle meine Bedenken versteht und alles tun würde, um Missstände abzustellen, und sich auch auf seine bewährte Weise für alles entschuldigt. Ich könnte ihn von nichts überzeugen. Das habe ich lange genug versucht. Haider ist auf nichts festzulegen. Er ist ein moderner Politiker.

Darf man eine demokratisch gewählte Regierung überhaupt international isolieren?

Bei einer Regierung, in der die extreme politische Rechte sitzt, ist das ein legitimes politisches Mittel. Da wir in der EU sind, haben wir ja zum Glück ein Stück unserer nationalen Identität aufgegeben. Die EU-Staaten haben sogar die Pflicht, Österreich zu isolieren. Isolation ist ein extremes, aber legitimes Mittel.

Dürfen FPÖ-Minister zu Staatsbesuchen eingeladen werden?

Dazu habe ich keine Meinung.

Ist die Aufregung um Haider und die FPÖ übertrieben?

Die Aufregung ist absolut berechtigt. Es gibt ja kein zweites Land mit einer derartg starken extremen Rechten an der Regierung. In der Opposition würde ich ja vieles dulden. Aber in der Regierung haben die nichts zu suchen.

Ist die Regierungsbeteiligung der FPÖ ein Tabubruch?

Auf jeden Fall. Es gibt zivilisatorische Standards, hinter die man nicht zurückgehen sollte und hinter die man im Nachkriegseuropa auch noch nicht zurückgegangen ist.

Befürchten Sie, dass Geschichte sich wiederholen könnte?

Nein. Wenn sie sich wiederholt, wird dies auf ganz andere Weise geschehen.Anders ist die Rechte vor allem deshalb, weil wir es heute mit einer moderne Rechten zu tun haben, einer, die technokratisch und neoliberalistisch ist. Aber das, was sie wollen, ist gleich geblieben.

Was können EU-BürgerInnen jetzt tun? Ist ein Boykott sinnvoll?

Die stärksten Mittel sind angemessen. Die Leute, die gerne hierher auf Urlaub fahren – Österreich ist immerhin das Land, das den höchsten Anteil seines Bruttosozialproduktes mit Fremdenverkehr erwirtschaftet –, sollten wissen, dass gerade Kitzbühler und Wörtherseer zu einem hohen Prozentsatz die Rechten gewählt haben. Ich würde die Leute, die hier gern auf Urlaub fahren, mal darüber aufklären, wie die Wörthersee-Gemeinden, wohin sie so gerne fahren, abgestimmt haben. Und vielleicht fahren sie dann ja woanders hin und nicht mehr nach Österreich. Woanders ist es auch schön.

Welche Folgen wird das alles für Österreich haben?

Ich nehme an, dass dadurch, dass jetzt politische Abenteurer ans Ruder kommen, Österreich seinen Ruf als stabiles Land verlieren wird. Ich schätze, dass viele Länder jetzt ohnehin nicht mehr so gerne hier investieren werden, und das ist ja auch gut so.

Aber anderseits: Wenn hier die Unternehmens- und Stiftungssteuern noch weiter gesenkt werden, werden sich auch sicher weiterhin finanzstarke Unternehmen und Privatiers hier ansiedeln. Flick und Co. leben ja nicht umsonst in großer Zahl hier im Land. Das internationale Kapital kennt keine Moral. Das habe ich für Sie jetzt sogar gereimt. Interview:

Volker Weidermann