Neuer Streit um neue Startbahn

■ Die Vermittlergruppe zum Ausbau des Frankfurter Flughafens hat nichts gegen neue Piste, wenn der Lärmschutz verbessert wird. Gegner halten Bericht für einen „Skandal“

Keine Empfehlung, hatte es immer geheißen. Und dann gibt es doch eine: Die neue Start- und Landebahn des Rhein-Main-Flughafens soll im Süden angelegt werden. Nach anderthalb Jahren Beratung stellten die Vorsitzenden der Flughafen-Mediationsgruppe, der ehemalige EU-Parlamentspräsident Klaus Hänsch (SPD) und seine beiden Kollegen Frank Niethammer und der Umweltpfarrer Kurt Oeser, ihren 156-seitigen Abschlussbericht vor.

Hänsch sprach gestern bei einer Pressekonferenz im ersten Stock des Frankfurter Hilton-Hotels von einer „Balance“. Die Kommission habe einvernehmlich beschlossen, sich allgemein für den Ausbau auszusprechen. Sie habe aber keine konkrete Empfehlung für den Standort geben wollen, sondern stattdessen „ein Paket geschnürt“. Man habe 9 von 21 Varianten, Ausbau oder Nichtausbau, ernsthaft geprüft und sechs davon wieder verworfen. Zwei der verbliebenen Varianten seien Nordbahnen gewesen. Die drei Vorsitzenden hätten sich nun, autorisiert von der Mediatorengruppe, entschlossen, ihrerseits zwar auch nichts zu empfehlen, weil sie politischen Grundsatzscheidungen nicht vorgreifen wollten. Sie seien aber dennoch übereingekommen, der Südbahn den Vorzug einzuräumen. Natürlich, so Hänsch, ohne sich eindeutig festlegen zu wollen.

Die Südbahn, betonte Hänsch immer wieder, sei eine „beachtenswerte“ Variante. Sie sei dies auch deshalb, weil sie – mehr als die anderen – „Optionen für eine langfristige und flexible Entwicklung des Flughafens“ offen halte. Außerdem erfordere sie „einen geringeren Waldverbrauch“. Beim Bau der Südbahn müsste die Startbahn West stillgelegt und das Gelände aufgeforstet werden.

Der Krach in der Region war mit der Präferenz des Gremiums vorprogrammiert. Der Magistrat der betroffenen Gemeinde Neu-Isenburg, dessen Bürgermeister Oliver Quilling selbst Mitglied der Mediationsgruppe ist, ließ noch im Saal Flugblätter verteilen. Der Endbericht sei „ein Skandal“ und entgegen den Absprachen von den drei Vorsitzenden eigenmächtig so erweitert worden, dass „der Südbahn das Wort geredet“ werde. Dieses Vorgehen, sagte Quilling, bestätige die Vermutung, dass im gesamten Mediationsverfahren von Anfang an „auf Biegen und Brechen und mit Tricks“ in diese Richtung gearbeitet worden sei.

Erste Demonstranten trafen sich gestern Mittag auf dem Römerberg. „Als Treppenwitz der Geschichte“ werteten Vertreter der Bürgerinitiativen den Rückbau der seinerzeit so hart umkämpften Startbahn West. Nur dann könne nach dem Bericht der Mediatoren die Variante Südbahn unter Nutzung des Geländes des geräumten amerikanischen Militärflughafens umgesetzt werden.

Pfarrer Kurt Oeser, seit 36 Jahren Kämpfer gegen den Fluglärm, erläuterte die Überlegungen des Gremiums, den Abschlussbericht als Gesamtpaket vorzulegen. Die darin enthaltenen fünf Punkte müssten eins zu eins umgesetzt werden: „Wenn, dann nur als Ganzes. Und dazu stehe ich.“ Enthalten sind ein Nachtflugverbot zwischen 23 und fünf Uhr morgens und eine generelle Lärmreduzierung. Dazu kommen eine Optimierung der bestehenden Kapazitäten und die Verlagerung von Post-, Fracht- und Charterflügen. Ein regionales Dialogforum soll dauerhaft alle Schritte begleiten und den „begonnenen Dialog“ auch in der Zukunft weiterführen.

Hänsch betonte, dass in den 24 Sitzungen mit 20 Gutachten und 15 Anhörungen letztendlich niemand gewonnen, aber auch keiner verloren habe. Alle hätten „zurückstecken“ müssen, auch wenn Teilforderungen berücksichtigt worden seien.

Das letzte Wort über den Abschlussbericht hat nun der hessische Landtag, der auch über eine Verschärfung des Gesetzes gegen den Fluglärm abstimmen muss. Die Mediatoren werden das Paket heute Ministerpräsident Roland Koch übergeben.

Heide Platen, Frankfurt