Neues Gesetz Placebo oder Antibiotikum?

■ Sollen auf staatlichen Baustellen die Bauarbeiter in Zukunft nach Tarif bezahlt werden? Eine Anhörung der SPD-Fraktion

Am Ende der Anhörung meldete sich ein Bauarbeiter zu Wort. „Ich sehe nicht ein, dass ich meinen Arbeitsplatz an irgendeinen Moldawier abgeben soll.“ Deutsche Arbeitnehmer auf dem Bau sind in Unruhe: Sie befürchten, durch Billiglohn-Ausländer von den Baustellen verdrängt zu werden.

Und Politiker sind im Zugzwang: Am 30. Juni laufen laut SPD die derzeit geltenden „Tariftreueerklärungen“ aus. Danach verpflichten sich Auftragnehmer, die für die öffentliche Hand bauen und sanieren, keine Dumpinglöhne zu zahlen. Das System hat freilich unzählige Löcher – doch wenn bis Mitte des Jahres keine Neuregelung auf Bremer Ebene getroffen wird, seien die Auftragnehmer an gar keine Verpflichtungen mehr gebunden, wird befürchtet.

Wie eine Neuregelung in Bremen aussehen könnte, darum ging es am Montagnachmittag in der Bürgerschaft. Rund 80 Interessierte, vorrangig Gewerkschafts- und Bürgerschaftsvertreter, kamen auf Einladung der SPD-Fraktion, um Eckpunkte einer zukünftigen Regelung zu diskutieren.

Wie kann man die Firmen auf öffentlichen Baustellen dazu bringen, keine Billiglöhne zu bezahlen? Die Meinungen gingen auseinander. Auf der einen Seite standen diejenigen, die glauben, die geltenden Bestimmungen müssten nur konsequent angewendet werden. Denn auch in Zukunft müssen Firmen, die öffentliche Aufträge abbekommen wollen, nachweisen, dass sie „fachkundig, leistungsfähig und zuverlässig“ sind. Und zur Zuverlässigkeit gehört nach Ansicht von Wolfgang Bayer (Bauindustrieverband Bremen/Niedersachsen) und Friedhelm Marx (Bundeswirtschafsministerium) auch die Tariftreue. Neue Gesetze? In ihren Augen sind die nicht nötig.

Auf der anderen Seite stand der Vertreter der IG Bau, Norbert Ewald. Die Tariftreue im Gesetz festzuschreiben sei „notwendig“. Ohne Tariftreue kämen immer mehr Sub-Unternehmen zum Zuge, die sich an die tariflichen Bestimmungen nicht gebunden fühlen. Da, wo der Staat Auftraggeber sei, müsse er aber auch eine wirtschafts- und sozialpolitische Vorbildfunktion übernehmen.

Berlin war das erste Bundesland, das sein Vergabegesetz änderte. Allerdings: Am 18. Januar erklärte der Bundesgerichtshof, er habe mit der neuen Berliner Tariftreuebindung im Straßenbau seine Probleme – weil die Firmen sich nicht gegen die Regelung wehren können. Nun muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden, wieviel Spielraum die Länder bei Neuregelungen überhaupt haben.

Zwar ist das Problem ein gänzlich anderes als das der Schwarzarbeit. Eine Parallele gibt es allerdings doch: Auch bei Tariftreue steht und fällt der Sinn des Gesetzes mit der Fähigkeit der Behörden, die Tariftreue überprüfen zu können und Sanktionen verhängen zu dürfen. Diskussionsleiter Carsten Sieling, SPD-Bürgerschaftsabgeordneter, zitierte aus einer Senatsvorlage von Innensenator Bernt Schulte (CDU): Die erforderliche Überprüfung zur Bekämpfung der Schwarzarbeit könne in Bremen „nicht geleistet werden“. Das Problem stellt sich ebenso für die Tariftreue. Ein neues Gesetz „wäre kein Aspirin, sondern ein Antibiotikum“, glaubt Gewerkschafter Ewalt. Bundesvertreter Marx kontert: „Ein Papier ist nur Placebo, solange es Papier bleibt“. cd