Meinungsfreiheit gilt auch für Kriegsgegner

Angeklagte im Prozess um einen Aufruf gegen Nato-Krieg in der taz freigesprochen

Berlin (taz) – Richterin Marie-Luise Brinkmann, sonst beim Amtsgericht Berlin-Tiergarten eher mit nachbarlichen Streitigkeiten betraut, sprach gestern sieben Angeklagte vom Vorwurf frei, sie hätten mit einem Aufruf gegen den Nato-Krieg zu Straftaten aufgefordert.

Am 21. April letzten Jahres war in der taz eine Anzeige erschienen, in der die am Krieg gegen Jugoslawien beteiligten Bundeswehrsoldaten aufgerufen wurden, sich den Einsatzbefehlen zu widersetzen und sich von der Truppe zu entfernen. Die Staatsanwaltschaft wollte die Unterzeichner des Aufrufs sowie Karl-Heinz Ruch vom taz-Vorstand verurteilt sehen: Geldstrafen zwischen 900 und 5.400 Mark forderte sie gestern für sechs Männer und eine Frau, die den Aufruf namentlich unterstützt oder auch nur verbreitet hatten.

Die Angeklagten beriefen sich hingegen auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und attackierten ihrerseits die Staatsanwältin: „Die Regierungspropaganda zum Krieg wird für Recht genommen“, so das Plädoyer von Roland Roth, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Magdeburg. Die richterliche Auslegung der Meinungsfreiheit sei „wichtig und wertvoll“, sagte Roth der taz. Es müsse aber darüber hinaus festgestellt werden, ob der Nato-Angriff völkerrechtswidrig war.

Richterin Brinkmann folgte mit dem Urteil der Mehrheit ihrer Kollegen. Von bisher 19 Verfahren gegen die Unterzeichner endeten nur drei mit einer Verurteilung. Bis Ende März sind zehn weitere Prozesse gegen Unterzeichner des Aufrufs angesetzt. Dirk Hempel