Haider in der Zielgeraden: ÖVP-Chef Schüssel steht zur Koalition

Österreichs Regierungsbildner weisen ausländische Kritik ab. In Deutschland Streit über EU-Sanktionen

Wien (dpa/AFP/AP) – Die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP) hält an einer Regierung mit den Freiheitlichen (FPÖ) von Jörg Haider fest. Das entsprechende Regierungsprogramm sollte noch gestern fertig gestellt und dann Bundespräsident Thomas Klestil vorgelegt werden, sagte der ÖVP-Vorsitzende Wolfgang Schüssel in Wien.

Zuvor hatte Schüssel bereits die übrigen 14 EU-Länder kritisiert, die am Vorabend mit einer diplomatischen Isolierung Österreichs gedroht hatten, wenn es zu einer Koalitionsbildung käme. Die Drohung, sagte er, „widerspricht dem Geist der Verträge“. Davon unbeeindruckt verschob Portugals Staatschef Jorge Sampaio, der in diesem Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft innehat, die Vorbereitungen für einen Staatsbesuch in Wien. Auch die USA kündigten gestern eine „Überprüfung“ ihrer Beziehungen zu Österreich an. Sollte es zur Regierungsbildung mit der FPÖ kommen, würden die USA „ähnliche Schritte wie die Europäer erwägen“, sagte Davis Leavy, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates.

In Deutschland war man sich gestern nicht über die angekündigten Sanktionen der EU einig: Bundeskanzler Gerhard Schröder verteidigte die „Herunterstufung“ bilateraler Kontakte mit Österreich. „Wenn wir deutlich machen, dass wir mit Politikern wie Herrn Haider nichts zu tun haben wollen, ist das keine Einmischung in fremde Angelegenheiten, sondern Ausdruck der Tatsache, dass Europa eine Wertegemeinschaft ist“, erklärte er. Dagegen sprach der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Hans-Ulrich Klose, von einer „Angelegenheit Österreichs“. Auch die Vorstandssprecherin der Grünen, Gunda Röstel, hielt es nicht für eine Aufgabe der Deutschen, „uns in die innerdemokratischen Angelegenheiten eines Nachbarlandes einzumischen“. CDU, CSU und FDP waren geschlossen gegen ein Eingreifen der EU.

FPÖ-Generalsekretär Peter Westenthaler verlangte gestern von allen Österreichern, „die Einmischung des Auslandes nicht zuzulassen“. Die FPÖ/ÖVP-Regierung „muss jetzt noch schneller gebildet werden“, erklärte er – dann werde man den „Vorurteilen“ entgegentreten.

Kritik an der neuen Regierungskoalition gibt es allerdings auch in Österreich. Die Sozialdemokraten (SPÖ) und die Grünen verlangten gestern den Rücktritt Schüssels. Die Grünen haben dazu eine Sondersitzung des Nationalrates (Parlament) gefordert, die innerhalb von acht Tagen einberufen werden muss.

Der Leiter des Marktforschungsinstituts OGM sagte, die Drohungen der EU würden in Österreich Abwehrreaktionen hervorrufen. Problematisch sei, dass die EU-Länder damit genau das Gegenteil ihrer Absichten erreichten und die Österreicher in die Arme der Freiheitlichen drängten. „Zynisch gesprochen ist das eine unbezahlbare Werbekampagne für die Freiheitlichen“, sagte Bachmeyer.

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