Kommentar
: Gesucht: Baron von Münchhausen ■ Schäuble versinkt im CDU-Spendensumpf

Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, ob die taz dem CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble nur zwei- oder doch schon dreimal den Rücktritt nahe gelegt hat. Auch das systematische Studium aller Terminkalender half meinem Erinnerungsvermögen nicht weiter. Aber offen gestanden ist die Frage völlig egal – in diesen Tagen bieten sich immer wieder Gelegenheiten, Schäuble mit guten Argumenten seinen Ruhestand zu empfehlen. Einmal mehr oder weniger kann da keinen großen Schaden anrichten.

Bei dem CDU-Vorsitzenden ist es nicht egal, ob er sich zwei- oder dreimal mit dem Waffenhändler Schreiber getroffen hat und ob er sich erst jetzt, nach dem Blick in den Terminkalender, an eine dritte Begegnung erinnern kann. Schäuble will ein radikaler Aufklärer sein, ein Steuermann im Sturm, ein Retter der Partei. So einer kann sich vielleicht einen schweren Fehler leisten, aber nicht zwei.

Wenn man gutgläubig ist, kauft man dem CDU-Chef seine Erinnerungslücke vielleicht noch ab. Aber das tut nichts mehr zur Sache. Schäuble hätte sich erinnern müssen, das gebietet die Besetzungsliste des Skandals. Schäuble spielt den Krisenmanager – was soll man ihm jetzt noch glauben? Angela Merkel legte sich gestern fest: Schäuble hat sich nur dreimal mit Schreiber getroffen. Da bewundern wir aber die Generalsekretärin für ihr gefestigtes Wissen und sehen großzügig darüber hinweg, dass Merkel bis Montag felsenfest davon überzeugt war, dass es nur zwei Treffen gegeben hat, und sie auch schwören würde, dass es nur vier Treffen waren, wenn ihr Parteichef noch ein viertes zugeben sollte.

Schäuble ist inzwischen alles zuzutrauen. Das mag ungerecht sein, aber es ist so – und Schäuble ist selbst schuld daran. Der Parteichef hat die Aufgabe übernommen, die CDU aus dem Spendensumpf zu ziehen. Aber er steckt selbst bis zum Hals im Morast. Schäuble wird sich und die Partei nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen können, es sei denn, er hat vor, Baron von Münchhausen zu seinem neuen Generalsekretär zu machen. Für die CDU ist das eine ziemlich trübe Aussicht: Ihr Parteivorsitzender ist erledigt und gleichzeitig die einzige Führungsfigur, die konzeptionell denkt und innerparteilich Autorität genießt. So gesehen ist Schäuble die Rettung der CDU – und ihr Untergang. Jens König

Tagesthema Seite 3