Suche nach Echtheit

Der Hamburger Choreograf Jan Pusch zeigt auf Kampnagel sein neues Fünf-Personen-Tanzstück Wish I was real – ein Porträt  ■ Von Marga Wolff

Ursprünglich hatte es ein reines Männerstück werden sollen. Doch nach etlichen Auditions in Hamburg, Berlin und Amsterdam muss-te Jan Pusch Abstand nehmen von seiner Idee. Es gab einfach keine tanzenden Männer, die seinen Ansprüchen an Technik und Ausdruck genügt hätten und zudem noch bereit gewesen wären, für eine Low-Budget-Produktion nach Hamburg zu kommen. Hamburg ist eben keine Tanzstadt, zumindest nicht was eine lebendige, professionelle freie Szene angeht, stellte der Choreograf wieder einmal ernüchtert fest.

So ist Wish I was real, das am 9. Februar auf Kampnagel Premiere hat, in gemischt-geschlechtlicher Besetzung wohl auch ein ganz anderes Stück geworden. Zwei Frauen und drei Männer schickt Pusch hier auf die Suche nach Echtheit. Ausschließlich mit Bewegung lässt er seine Protagonisten gegen die Verflüchtigung von Identität ankämpfen. Die Spuren im Körper, in denen sich das eigene Selbst manifestiert, gilt es sichtbar zu machen. Der Sound spiele hier eine zentrale Rolle, erläutert Pusch. Klang soll sich materialisieren, „an der Reibung zwischen Körper und Luft entzünden“. Die Musik stammt diesmal von Hans Peter Gerrits. Und das ist schon bemerkenswert. Denn normalerweise macht Jan Pusch alles selbst: Er textet, choreografiert, führt Regie und komponiert.

1966 in Leipzig geboren, ist er in der DDR am Klavier und Cello zum Musiker ausgebildet worden und wechselte erst später, Mitte der 80er im Westen, als beruflich auf einmal wieder alle Türen offen standen, an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt/M. zum Tanz. Ein wahrer Tausendsassa, möchte man meinen. Dabei geht es Pusch in der Kombination seiner Mittel letztlich darum, dass diese zu einem Gesamtereignis verschmelzen: „Ich will Momente von Wahrhaftigkeit auf der Bühne erzeugen“, sagt er. In dem Stück Please Help Yourself, das der Choreograf vor gut einem Jahr für die britische Tänzerin Fiona Gordon kreierte, ist ihm das in bezwingender Weise gelungen. Das freche, originelle Solo voller Sprach- und Körperwitz bescherte Pusch und seiner Interpretin den ersten Preis beim Solo-Tanztheaterwettbewerb '99 in Stuttgart und damit die ersten Auswärtserfolge. Und auch seine letzte Choreografie, das von Tennessee Williams' Endstation Sehnsucht inspirierte Duett Who Knows. Maybe Tennessee. für die Tanzcompagnie Lübeck überzeugte mit ungemeiner Bildkraft und erotischer Spannung.

Gerade noch rechtzeitig hatte sich das Blatt gewendet. Denn vor anderthalb Jahren, gesteht das Allroundtalent, sei er fast soweit gewesen, seinen Beruf an den Nagel zu hängen. Die unstete Arbeitssituation auf Kampnagel in Abhängigkeit von Projektförderungen seitens der Kulturbehörde hatte ihn regelrecht aufgerieben. Auf Kontinuität kann er in der freien Szene also nicht bauen und sichert sich daher ein zweites Standbein als Gastchoreograf. Aus seiner Zeit in John Neumeiers Hamburg-Ballett, wo er von 1990 bis 1993 Gruppentänzer war, weiß er, wie die Mühlen im Staatsbetrieb mahlen und kann zudem auf wertvolle Kontakte zurückgreifen. Sein früherer Kollege Ralf Dörnen, heute Ballettdirektor in Greifswald, engagierte ihn bereits zum wiederholten Male. „Ich sehe da eine spannende Nische innerhalb des staatlichen Ballettbetriebs“, meint Pusch. Unter den Tänzern habe er ein enormes Bedürfnis festgestellt, experimentell zu arbeiten. „Die Identifikation“, stellt er fest, „mit einem Stück, mit einer Rolle, setzt in den Tänzern ein großes Potenzial frei.“ Und Tänzer optimal zu präsentieren – das hat er bei Neumeier gelernt –, ist eine gute Möglichkeit, Publikum zu binden.

Fiona Gordon, die für ihn eine Art Muse ist, gibt da ein treffliches Beispiel. Für Wish I was real hat Pusch mit Michaela Meazza, Nir de Volff, Robin Dingeman und Bernd Janzen vier weitere bemerkenswerte Tänzerpersönlichkeiten engagiert. Um Individualität geht es nämlich auch in diesem Stück, wie die Fünf bereits in Ausschnitten bei der „Tanzplattform Deutschland 2000“ zeigen konnten – wenngleich die Teilnahme mit Bruchstücken einer unfertigen Choreografie am Wettbewerb für Bagnolet eine weniger gute Idee war. Und eigentlich – daran hat auch der Preis in Stuttgart nichts geändert – waren Wettbewerbe Jan Pusch schon immer suspekt.

Premiere: Mi, 9. Februar, 20 Uhr, k2; weitere Vorstellungen 11. bis 13. und 16. bis 19. Februar