Der Leiter des Bremer Ausschusses für Wirtschaftsforschung, Frank Haller, lobt den Technologiepark und schimpft aufs Hollerland ■ Eine Entgegnung

Früher galt es immer intern als Machtwort, wenn der langjährige Wirtschafts-Staatsrat Frank Haller zur Feder griff und in polemischer Schärfe grundsätzlich wurde. Inzwischen hat er sich auf seine alte Stelle als Leiter des „Bremer Ausschuss für Wirtschaftsforschung“ (BAW), einer wissenschaftlichen Abteilung des Wirtschaftsressorts, zurückgezogen und muss seine Texte einem Anzeigenblatt zur Veröffentlichung anbieten.

Wer geglaubt hat, die Distanz zur Macht werde der Honorarprofessor dazu nutzen, in der Argumentation differenzierter zu werden und weniger oberflächlich zu polemisieren, der muss von seinem „Brandbrief“ – so nennt der Weser Report den Text – enttäuscht sein (30.1.2000). Bemerkenswert ist der „Brandbrief“ eher, weil Haller sich da weit unter das Niveau dessen begibt, was sein „Ausschuss für Wirtschaftsforschung“ in Studien über den Technologiepark bereits herausgefunden hat.

Das fängt schon mit den Zahlen an. „Wer weiß schon überregional, dass im Bremer Technologiepark rund 5.000 Beschäftigte in hochwertigen Unternehmen beschäftigt sind ...“ Ein Blick in eine aktuelle Studie des BAW ergibt: 3.395 Beschäftigte zählte Hallers Institut für 1999, davon 431 sogar nur als Teilzeitbeschäftigte. Man könnte sagen, ein Honorarprofessor kann schon mal 3.395 auf 5.000 aufrunden. Aber dahinter steckt ein grundsätzliches Problem. Haller hat nicht aufgerundet, sondern den Siemens-Umzug mit 1.500 Beschäftigten der Erfolgsstory des Technologieparks zugeschlagen.

Dies ist nun vor allem peinlich. Siemens hat in den vergangenen Jahren heftig Mitarbeiter wegrationalisiert, der Umzug war ein Teil dieses Programms. Und der Siemens-Umzug hatte ein Immobiliengeschäft zum Hintergrund: Die Stadt hat dem Konzern sein – auf dem freien Markt unverkäufliches – Hochhaus am Bahnhof für einen niedrigen Preis abgekauft. In das alte Hochhaus müssen nun Baubehörden-Mitarbeiter einziehen, damit es nicht leer steht. Obwohl die Bremer Siemens-Niederlassung die Kriterien des Technologieparks nicht erfüllt, hat der Konzern zudem die Grundstücks-Subvention, die für Technologiepark-Firmen gilt, bekommen. Die vielen Außenmitarbeiter schätzen die Nähe zur Autobahn-Auffahrt, die der entscheidende Faktor für diesen Standort war. Der Siemens-Umzug, der keinen zusätzlichen Arbeitsplatz gebracht hat, hat mit der Idee des Technologieparks nichts zu tun.

Hallers Wissenschaftler haben in einer Studie allerdings auch festgestellt, dass der Fall der Siemens-Umsiedlung kein Einzelfall war. Weil sehr viele Betriebe, für die nur das „Image“ der Uni-Nähe und die Autobahnauffahrt – „Verkehrsbindung“ – entscheidend waren, im Technologiepark günstig Grundstücke kaufen konnten, sind unter den 3.395 Mitarbeitern des Technologieparks „die erhofften Synergieeffekte bislang ausgeblieben“. Außerhalb des staatlich geförderten Gründerzentrums BITZ habe sich „kein spezifisches innovatives Milieu gebildet“, schreibt Andree Sandmann in seiner Diplomarbeit. Sandmann hatte an den Erhebungen des BAW mitgewirkt und dann die Ergebnisse der BAW-Studie in seiner Diplomarbeit ausgewertet, also ohne dem Wirtschaftsstaatsrat gegenüber weisungsgebunden zu sein. Der heutige SPD-Wirtschaftspolitiker Carsten Sieling hatte dies schon 1992 in einer Studie der Arbeiterkammer festgestellt, eine BAW-Studie, die Werner Willms 1996 vorgelegt hatte, bestätigte es: Willms konstatierte ein „unzureichendes Kooperationsverhalten im Technologiepark“. Damals lagen die Ursachen auch schon klar zutage: Der Großteil der Unternehmen im Technologiepark waren innerhalb Bremens umgezogen und hatten dabei erhebliche Fördergelder bekommen. „Im Förderzeitraum ab 1989 haben die im oder am Technologiepark angesiedelten Unternehmen insgesamt 46 Prozent aller Projektfördermittel des Landes Bremen empfangen“, stellte Willms fest. Grundstücks-Subventionen sind dabei nicht einmal gerechnet. Das bedeutet: Im Interesse kurzfristiger Erfolgs-Meldungen haben die Wirtschaftsförderer das eigentliche Ziel, um die Uni herum ein „innovatives Milieu“ zu schaffen, das die Potentiale der Universität nutzen kann, vernachlässigt. Subventionen, eine „gute“ Adresse und die Nähe zur Autobahn haben gelockt, die „Nähe zu innovativen Betrieben der gleichen Branche“ spielte keine entscheidende Rolle.

Aus den Erfahrungen anderer Technologieparks, die Sandmann noch einmal ausgewertet hat, war schon damals bekannt, dass Großbetriebe dazu neigen, eine in sich abgeschlossene Kommunikationskultur zu pflegen. „Kooperativ“ im Sinne der Idee des Technologieparks sind auch in Bremen vor allem die ganz kleinen Unternehmen.

Und zweitens war bekannt, dass es auch im Sinne der Technologieparks nicht sinnvoll ist, tote Büro-Städte zu planen. Kulturelle Angebote und Wohn-Funktionen müssen Technologie-Parks haben, Tennisplätze und Cafes, wenn sich dort ein innovatives Milieu bilden soll.

Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Hallers haben so einige wesentliche Erkenntnisse zu einer realistischen Bewertung des Technologieparks zusammengetragen. Die Siemens-Ansiedlung, die Haller auf den Erfolg draufrechnet, ist geradezu das Gegenteil davon.

Vier Schlussfolgerungen:

Wichtig ist, verkehrsgünstig gelegene, attraktive Adressen für Unternehmen anzubieten, damit nicht alles in den „Technologiepark“ strömt, was da nicht hingehört.

Die wirklich innovativen Unternehmen, die die Substanz eines Technologieparks und das „innovative Milieu“ bilden können, brauchen nicht viel Platz, es sind eher die kleinen Unternehmen. Das „Zentrum für Multimedia und Electronic Commerce“ (ZmeC) ist ein gutes Beispiel dafür, und es ist geradezu das Argument gegen die Vorstellung, der Technologiepark könne sich vor allem über die Autobahn ausbreiten: Dieses Zentrum für Innovation und High-Tech wurde mitten im Stadtteil Horn in einem hässlichen Telekom-Bürohaus angesiedelt, dank der subventionierten Mieten mit Erfolg. Gleichzeitig werden im Schatten des Fallturms Autohändler angesiedelt. Das ist die Realität der bremischen Ansiedlungs-Politik, die zu den ideologischen Redensarten passt wie die Faust aufs Auge.

Ein Technologiepark braucht einen lebendigen Stadtteil als Ambiente, die Entwicklungsrichtung des Uni-Technologiepark-Ghettos sollte also hin zur Stadt sein, nicht noch weg von der Stadt hinter die A 27. Ein durch diese Autobahntrasse zerschnittener Gewerbepark wird so leicht kein „Technologiestadtteil“, in dem Menschen auch leben und wohnen wollen.

Geradezu widersinnig ist die Argumentation Hallers, um der Sanierung Bremens Willen müsse der Technologiepark seine Entwicklungsrichtung über die Autobahn hinaus nehmen. Denn diese Entwicklungsrichtung, die die Bildung eines neuen Stadtteils dort unterstellt, muss geradezu zwangsläufig dazu führen, dass alle, die es sich leisten können, ihren Wohnort und Steuersitz in der grünen Umgebung Bremens – Richtung Lilienthal und Worpswede – nehmen. Der Technologiepark muss Richtung Stadt wachsen, wenn den dort Beschäftigten das Angebot gemacht werden soll, diese Stadt als ihren Lebensmittelpunkt anzunehmen. Wer alle modernen, technologieintensiven Betriebe mit großen Subventionen aus der Stadt hinaus in die Feuchtwiesen an der Landesgrenze lockt, der höhlt die Identität der Stadt aus. Klaus Wolschner