„Man muss ganz neue Fächer schaffen“

■ Michael Daxner, Professor an der Uni Oldenburg, hält die Pläne zur Reform der Berliner Universitäten für falsch und plädiert für mehr Studienplätze, qualifiziertere Angebote, unabhängige akademische Kontrollgremien und eine strukturierte Hochschullandschaft unter Einschluss von Brandenburg

taz: Es liegt ein neues Gutachten für die Berliner Hochschulen vor, das den altbekannten Weg geht: Sparen, sparen, sparen. Ist die Uni-Landschaft hier so hypertroph, dass man mit der Machete ran muss?

Michael Daxner: Nein, das universitäre Programm Berlins ist überhaupt nicht überwuchernd. Die Hauptstadt muss wegen ihrer Attraktivität sogar einen Überschuss an akademischen und an Bildungsangeboten aufweisen. Es strömen mehr junge Leute nach Berlin, als diese Stadt strukturell verkraften kann. Also muss das jetzige Angebot qualitativ wie quantitaiv außergewöhnlich sein.

Das heißt, die Reduzierung der Studienplätze auf 85.000 war ein Fehler?

Ja, das war falsch. Man müsste in einem wohl durchdachten Entwicklungsplan wieder auf 115.000 Studienplätze kommen. Selbst wenn das 15 Jahre dauert.

Was ist Ihre Kritik an der Berliner Hochschullandschaft?

Die Universitäten konkurrieren bei sinkenden Studentenzahlen wohl um „die Besten“ unter den Studienbewerbern. Dazu brauchen die einzelnen Anbieter akademischer Ausbildung aber doch ein Angebot, das sich von den anderen Unis ganz deutlich unterscheidet. Aber das ist nicht der Fall. Stattdessen gibt es beinahe identische Massenfächer – und ein Flickwerk aus Ein-Professoren-Fächern.

Sie haben selbst einmal ein Gutachten verfasst. Was war die Idee?

Entweder man konzentriert sich auf ein Flaggschiff. Das wäre, nach meinem Dafürhalten, entweder die FU oder die Humboldt-Universität. Oder die Kooperation wird, wenn es eine Vorzeige-Uni nicht gibt, verbindlicher gemacht. Dazu brauche ich eine politische, langfristige Rahmensetzung darüber, was man in Berlin will.

Wie kann eine Kooperation aussehen, die die Autonomie der einzelnen Uni nicht beschädigt?

Vorsicht. Die Autonomie der einzelnen Unis ist kein höherer Wert als die des ganzen Systems. Man kann das an vielen amerikanisch Beispielen sehen, etwa in Kalifornien. Dort gibt es ein halbes Dutzend exzellenter Unis von Berkeley bis Los Angeles. Die haben sechs Präsidenten – aber einen gemeinsamen Exekutivkanzler.

Ein solches gemeinsames Gremium gibt es aber gerade in Berlin nicht?

Das ist der Fehler. Es ist verpasst worden, nach dem Fall der Mauer ein gemeinsames staatsfernes Organ zu gründen. Das Ziel ist eine strukturierte Hochschullandschaft unter Einschluss von Brandenburg.

Welches Modell wäre denn denkbar?

Das System wird von den vier gewählten Präsidenten geleitet – mit bestimmten Aufgaben wie der Mittelverteilung nach einem gemeinsamen Leistungsvertrag.

Was wäre ihre Vision?

Dass man hier ganz neue Fächer schafft. Warum denn nicht die Berliner Zukunftswissenschaften gründen? Das wäre attraktiv.

Interview: Christian Füller