Im US-Vorwahlkampf in New Hampshire gab’s Überraschungen
: Der Charakter zählt, nicht das Geld

New Hampshire ist seinem Ruf treu geblieben, eigenwillige Entscheidungen zu fällen. In dem kleinen, konservativen Bundesstaat im hohen Nordosten der USA findet alle vier Jahre die erste ernsthafte Probe für die Präsidentschaftsaspiranten statt, und häufig bekommen die Favoriten einen Denkzettel verpasst. 1992 zum Beispiel: Da siegte hier Senator Paul Tsongas und verwies einen gewissen Bill Clinton auf den zweiten Platz.

Auch wenn es nur ein paar hunderttausend Menschen sind, die sich an der Vorwahl beteiligten und über gerade mal ein halbes Prozent der Delegierten bei den Nominierungsparteitagen entschieden, so hat ihr Urteil trotzdem Gewicht: Ein großer Teil der BürgerInnen New Hampshires hat die Kandidaten über Wochen live in Turnhällen, Schulsälen oder sogar in den eigenen Wohnzimmern erlebt und befragt. Das Urteil lautet: George W. Bush, der Strahlemann aus Texas mit den vielen Millionen im Rücken, hat nicht überzeugt. Sein Konkurrent John McCain, ein kantiger Senator aus Arizona und Vietnamkriegsheld, schon eher. Ein berühmter Papa reicht bei den Papiermühlenarbeitern in New Hampshire nicht aus, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Aber fünf bittere Jahre im Knast des Vietcong nötigen dem durchaus patriotisch eingefärbten Neuengland-Völkchen blanken Respekt ab. Vergessen kann man nun die übrigen republikanischen hopefuls: Steve Forbes, Gary Bauer und Alan Keyes können und werden demnächst einpacken.

Schwieriger zu bewerten ist der Wahlausgang auf der Seite der Demokraten: Der von Ex-Senator Bill Bradley erhoffte und den Meinungsumfragen lange vorausgesagte Auftaktsieg – also der Befreiungsschlag gegen Vizepräsident Al Gore – blieb aus. Der Favorit aus dem Weißen Haus siegte, wenn auch nur knapp mit 6.000 Stimmen Vorsprung. Bradleys entscheidende Taktik war, Gores Charakter anzuzweifeln. Er warf ihm immer wieder die Nähe zu Bill Clinton vor und zu dessen unethischem Verhalten. Dies hat Bradley, so erste Analysen, tatsächlich Stimmen eingebracht. Aber der Preis für die demokratische Partei als Ganzes dürfte hoch sein: Der Einzelkämpfer Bradley könnte mit seinen Anwürfen Viezpräsidenten Gore schwer schädigen, der immer noch als der aussichtsreichste Kandidat gilt. Wenn die Demokraten am Ende nur einen gerupften Al Gore auf ihrem Parteitag nominieren können, dann freut sich der Dritte: Und der heißt Bush oder McCain. Stefan Schaaf