CDU bietet: Chaos. CDU sucht: neuen Chef

Alle stehen offiziell zu ihm, aber die Suche nach einem Nachfolger für Wolfgang Schäuble hat längst begonnen: Kurt Biedenkopf und Bernhard Vogel werden als Übergangsvorsitzende gehandelt  ■ Von Karin Nink

Berlin (taz) – Die Maßgabe in der CDU ist klar: Es darf keine öffentliche Personaldiskussion um den Parteivorsitzenden geben. Auch nach dem jüngsten Geständnis von Wolfgang Schäuble müssen, zumindest nach außen, die Reihen geschlossen hinter dem CDU-Chef stehen. Parteiintern wird das Krisenmanagement jedoch mit aller Diskretion vorangetrieben. Denn Schäuble ist, so die fast einhellige Meinung in der Parteispitze, nicht mehr zu halten. Einige sehen einen Rücktritt des Parteivorsitzenden sogar noch für diese Woche voraus.

Während die Öffentlichkeit gestern gebannt auf das Treffen des Ex-Finanzberaters Horst Weyrauch mit der Parteiführung in Bonn blickte, sollen auf CDU-Präsidiumsebene eine Reihe von Gespräche geführt worden sein: mit der CSU sowie mit Kurt Biedenkopf, dem sächsischen Ministerpräsidenten, und Bernhard Vogel, dem thüringischen Landesvater. Sowohl Vogel als auch Biedenkopf werden als Parteichef für eine Übergangsphase gehandelt.

Noch gibt es in der Partei wohl keine Präferenz für den einen oder den anderen. Der langjährige Kohl-Feind Biedenkopf wurde vor drei Wochen schon einmal für eine solche Funktion gehandelt. Er hat damals abgewunken und tut das jetzt aus gutem Grund wieder. Biedenkopf sagt offiziell, er gehe davon aus, dass Schäuble auf dem kommenden Parteitag im April wiedergewählt wird. Auch Vogel hält die parteiinterne Absprache ein und stellt sich demonstrativ hinter Schäuble, sagt aber auf die Frage, ob er den Parteivorsitz für sich vollkommen ausschließe: „Ich will mithelfen, dass die Krise rasch beendet wird.“ Keiner will der Königsmörder sein, aber wenn das Hauen und Stechen losgeht, will auch keiner, der sich Chancen ausrechnet, abseits stehen.

Auch in der Bundestagsfraktion ist man Schäuble schon längst nicht mehr so wohl gesonnen. Jetzt, nach dem jüngsten Eingeständnis des Parteichefs, richtet sich die Stimmung der Abgeordneten eindeutig gegen Schäuble. „Es muss einen Befreiungsschlag geben – noch vor den Wahlen in Schleswig-Holstein“, heißt es. Auch in der Fraktion wird eine Übergangslösung mit Vogel oder Biedenkopf an der Spitze angestrebt. Danach soll ein Jüngerer oder eine Jüngere folgen. Ob diese Interimslösung nur bis April dauern soll oder darüber hinaus, ist noch offen. Das hängt auch davon ab, worauf potenzielle Schäuble-Nachfolger sich einlassen würden.

Klar ist aber, dass Schäuble nicht bleiben kann. „Es ist grausam, weil der Mann sein Leben für die Politik riskiert hat“, sagt ein CDU-Politiker, um dann aber resigniert festzustellen: „Es ist nichts mehr zu machen. Wenn das Anfang der Woche nicht noch gekommen wäre, dann hätten wir es geschafft“. Mittlerweile geht es in der am Abgrund stehenden Partei nicht mehr um die Frage, ob Schäuble noch glaubwürdig ist, oder ob er lügt. Es geht vor allem um die Außenwirkung. Dass der selbst ernannte Chef-Aufklärer der CDU jetzt erneut eine Erinnerungslücke einräumen musste, „lässt sich der Öffentlichkeit nicht mehr erklären“, sagt einer. Schäuble, der klug genug ist, um zu wissen, dass ihm sowieso nur noch die Zeit geblieben wäre, den Karren für die Partei aus dem Dreck zu ziehen, ist mittlerweile zu einer für viele nicht mehr tragbaren Belastung an der Parteispitze geworden.

Dennoch gibt es Überlegungen, dass er zumindest vorübergehend den Fraktionsvorsitz behalten soll. Für den Fall, dass Schäuble sich darauf nicht einlässt, werden für diesen Posten mehrere Namen gehandelt. Favorit ist der Haushaltsexperte Friedrich Merz. Er ist jung, in seinem Fachbereich kompetent und genießt einen guten Ruf in der Partei. Kritiker halten ihn allerdings innenpolitisch für zu konservativ und den Wünschen der CSU zu sehr zugeneigt. Auch der ehemalige Gesundheitsminister Horst Seehofer wird genannt. Er hat jedoch kaum Aussicht auf Erfolg. Er wäre der erste CSU-Mann an der Spitze der Unionsfraktion. Doch ob die kleine Schwesterpartei den eigenen Mann unterstützen würde, ist fraglich. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos würde deutlich an Einfluss verlieren – was ihm kaum gefallen würde. Außerdem würde Edmund Stoiber, CSU-Chef und Möchtegern-Kanzlerkandidat, in Berlin ein Gegner in den eigenen Reihen erwachsen.

Vielleicht fallen morgen ja schon wieder ganz andere Namen. Die CDU hält im Moment jeden Tag Überraschungen bereit.