Unschlagbarer Bush geschlagen

Bei den ersten Vorwahlen für die US-Präsidentschaft in New Hampshire unterliegt George W. Bush haushoch seinem Herausforderer John McCain ■ Aus Washington Peter Tautfest

Bei den New Hampshire Primaries, den ersten Vorwahlen um die US-Präsidentschaft, hat auf republikanischer Seite der Herausforderer John McCain deutlich vor dem Favoriten George W. Bush gewonnen. McCain erzielte 49 Prozent gegenüber 31 Prozent für Bush. Mit einer so großen Mehrheit hat bei den Republikanern seit 25 Jahren kein Kandidat mehr gewonnen. Bei den Demokraten setzte sich Vizepräsident Al Gore nur knapp gegen Bill Bradley durch.

Bushs Niederlage wiegt umso schwerer, als er bisher als unschlagbar galt. Er hatte nicht nur 68 Millionen Dollar mehr Wahlkampfspenden eingenommen als alle anderen Kandidaten zusammen, sondern auch die Unterstützung des gesamten Parteiestablishments. Am Wochenende hatte sich Bush auf Veranstaltungen mit seinen Eltern präsentiert, dem Ex-Präsidenten George Bush und der populären früheren First Lady Barbara Bush, sowie mit Parteigrößen aus Washington. Im basisdemokratisch orientierten New Hampshire kam das jedoch nicht so gut an.

John McCain hatte sich derweil in über hundert Town Meetings in größeren und kleineren Städten stundenlang den Fragen der Wähler gestellt, hatte Journalisten dutzendweise in seinem Bus („The Straight Talk Express“) mitgenommen und Rede und Antwort gestanden. Laut Wahlanalysen stimmte nicht in erster Linie die Unabhängigen für McCain, die in New Hampshire den größten Wählerblock bilden, sondern die republikanischen Stammwähler.

Das Ergebnis ist für Bushs Unterstützer ein Schock. Nicht die traditionelle Forderung nach Steuersenkungen mobilisierte die konservativen Wähler, sondern die Aufrichtigkeit, die McCain in der Politik verspricht. Kommentare sprechen schon davon, dass die republikanische Rechte in Trümmern liegt. Auch McCain stellte Steuersenkungen in Aussicht, versprach aber, die zu erwartenden großen Haushaltsüberschüsse vor allem in die Renten- und Krankenversicherung zu stecken. Zeitweise hatte man den Eindruck, McCain halte Reden Al Gores.

Der Vizepräsident siegte mit 52 Prozent der Stimmen knapp vor Bill Bradley, dem Ex-Senator aus New Jersey. Das kommt fast einer Schlappe gleich. Bradley gilt als das demokratisches Pendant zu McCain – als Kandidat, der eine neue Ehrlichkeit verspricht. Auch sein Hauptthema ist die Reform der Parteien- und Wahlkampffinanzierung. Bradley will Clintons gescheiterte Krankenkassenreform noch mal wagen und ein allgemeines Krankenversicherungssystem schaffen. Gore will dasselbe Ziel häppchenweise verwirklichen und bekam in erster Linie die Stimmen der in New Hampshire gut organisierten Demokraten und derer, die Reformen im Schulwesen sehen wollen.

Gores Position gilt durch seinen knappen Wahlsieg sowohl als gefestigt als auch geschwächt. Dass ein Außenseiter ohne Charisma, mit professoralem Gehabe, Intellektuellenappeal und ohne Hausmacht einem erfahrenen Gore so nahe kommen kann, zeigt, wie verwundbar der Vizepräsident gegen einen kämpferisch auftretenden Kandidaten sein würde.

In einem sehr zivilisierten Wahlkampf war es nur auf demokratischer Seite in der Schlussphase zu Misstönen gekommen. Bradley hatte Gores Wahrhaftigkeit angegriffen, als dieser behauptete, schon immer für das Recht der Frauen auf Abtreibung gewesen zu sein. Die New York Times fand Dokumente, nach denen Gore zeitweise gegen die Finanzierung der Abtreibung durch die öffentlichen Krankenkassen war.

Als nächstes geht der Wahlkampf in den Süden und Westen. Am 7. März, dem ersten Super-Tuesday, sind Vorwahlen in 14 Staaten, darunter im bevölkerungsreichen Kalifornien und New York. In den großen Bundesstaaten wird nicht die direkte Begegnung auf Bürgerversammlungen, sondern teure TV-Werbung die Hauptrolle spielen. Hier ist Bush im Vorteil. Auch Bradley hat mehr Geld als Gore. Das Rennen verspricht spannend zu werden.

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