„Österreich hat Haider verdient“

Um die Entscheidung, den israelischen Botschafter aus Wien abzuziehen, ist eine heftige Auseinandersetzung ausgebrochen

„Israel hat kein Recht, gegen Haider zu protestieren“, sagt Ex-Ministerin und Menschenrechtsaktivistin Schulamit Aloni

Israel zieht seinen Botschafter aus Österreich ab. Das entschied Israel, nachdem die ÖVP mit den „Freiheitlichen“ von Jörg Haider vorgestern einen Koaltionsvertrag abschloss. Es sei vorläufig nur „vom Botschafter selbst“ die Rede, hieß es vorsichtig. Das restliche Botschaftspersonal bleibe vorerst in Wien.

Umgekehrt hofft man in der österreichischen Botschaft in Israel, dass „sich an der gegenwärtigen Situation nichts ändert“. Der österreichische Vertreter muss nicht automatisch auch abgezogen werden. Es wäre durchaus auch denkbar, dass der Botschafter der Alpenrepublik, der sich derzeit aus gesundheitlichen Gründen in Wien aufhält, seine Arbeit in Tel Aviv fortsetzen wird.

Premierminister Ehud Barak begründete seine Entscheidung mit „dem Einzug einer rassistischen Partei in die Regierungskoalition“. Barak rief dazu auf, dem israelischen Beispiel zu folgen.

Dementgegen warnte der Historiker Schlomo Avineri vor „Panik“. Avineri unterstützte die Entscheidung Baraks, die auch von der EU und den USA getragen werde. Er riet jedoch dazu, dass Israel sich dem Protest anschließt, „ohne ihn selbst anzuführen“.

Haiders Einzug in die Regierung sei, so der ehemalige Parlamentssprecher Dow Schilanski, Indiz dafür, dass der Antisemitismus weiterlebe. „Österreich verdient Haider, und Haider verdient Österreich“, meinte Schilanski.

Entgegen dem breiten israelischen Konsens für einen Abbruch der Beziehungen mit Wien, sorgte die ehemalige Erziehungsministerin und linke Menschenrechtsaktivistin Schulamit Aloni von der Partei Meretz für Aufregung: „Israel hat kein Recht, gegen Haider zu protestieren.“ Sie verglich die Nationalreligiöse Partei (NRP), die Mitglied in der Regierungskoalition ist, mit Haiders FPÖ. Beide Parteien stützten ihre Programme auf „rassistische Elemente“. Die Nationalreligiösen drohten daraufhin mit rechtlichen Maßnahmen wegen übler Verleumdung, sollte sich Aloni nicht entschuldigen, was sie ablehnt.

Auch der Chef der linksliberalen Partei Schinui, Tommi Lapid, der als letzter Holocaust-Überlebender im israelischen Parlament, der Knesset, Rassismus und Antisemitismus in Europa stets mit besonderer Empfindsamkeit kommentiert, nahm den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Anlass, die eigene Gesellschaft einer kritischen Prüfung zu unterziehen. „Außer bei dem Regime, das Haider im Sinn hat, und dem orthodoxen Rabbinat musste und muss man nirgendwo nachweisen, wer die Mutter der Großmutter war.“ Man könne nicht umhin zu erkennen, dass es sich hierbei um eine Art Rassismus handele. „Rassismus ist Rassismus ist Rassismus“, resümierte Lapid. „Es ist dasselbe, egal ob wir es tun, oder die Österreicher.“

Susanne Knaul, Jerusalem