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Über das Weghaidern ■ Von Wiglaf Droste

Jörg Haider macht alles richtig, und seine angeblichen Gegner machen alles falsch. Ein Viertel der wahlberechtigten Österreicher hat Haiders FPÖ gewählt – der Rest aber nicht. Dennoch war die SPÖ und ist die ÖVP bereit, Haider das Land auszuliefern. Beide Parteien sind desavouiert – für immer, hofft man, damit die Sache wenigstens ein Gutes hätte. Aber auch dieser bescheidene Wunsch wird sich nicht erfüllen; Figuren wie der ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel, die um der reinen persönlichen Vorteilsnahme willen bereit sind, ein ganzes Land zum Kumpan Haiders zu machen, werden dafür weder politisch noch persönlich gestraft. Weil er um jeden Preis Bundeskanzler werden will, spielt Schüssel Haiders Spiel. Und Haider grinst sich eins: Was er wollte, bekommt er frei Haus. Ähnlich verhält es sich mit Haiders Gegnern in Deutschland. Die Redaktion von „Christiansen“ lud Haider erst ein und dann wieder aus – das ist richtig dumm, christiansendumm sozusagen. „Volkes Stimmgabel“ hat Gerd Henschel die Berufsbrandenburgerin mit dem Charme des Winterhilfswerks, Regine Hildebrandt, einmal genannt – der Begriff passt auch auf Christiansen, die aus simplem Quotenkalkül einen Nazi einlädt und später, nachdem sie ihm in die Hände gespielt hat, beteuert, sie halte es noch immer für besser, „sich mit Haider auseinander zu setzen“, obwohl sie sich doch mit ihm zusammen ins Fernsehen setzen wollte. Wie aber hätte Christiansens Volksaufklärung ausgesehen? Hätte sie den Kopf noch ein bisschen schiefer gelegt als sonst? Stattdessen konnte sie scharf mit Daniel Cohn-Bendit ins Gericht gehen, der ihr in einer seltenen Aufwallung von Klarheit bescheinigte, um der Quote willen Haider einen Pluspunkt machen zu lassen. Christiansens ganz authentisch dargestellte Empörung darüber war so lustig wie Cohn-Bendits Wut echt: Der grüne Populist sah sich von Christiansen um seinen großen Auftritt als Dany Drachentöter geprellt. Alles macht Cohn-Bendit mit, aber wenn man ihm eine Medienshow ruiniert, wird er ernsthaft böse. Gebetsmühlenartig wird wiederholt, Jörg Haider sei „kein Nazi, kein Faschist“. Die so reden, warten vermutlich darauf, dass Haider sich ein albernes Bärtchen wachsen lässt; ebenso gebetsmühlenhaft beschwören dieselben Leute das, was sie „die Demokratie“ nennen, die nur für zweierlei zu taugen scheint: zu ihrer Vorteilsnahme und dazu, Leuten wie Haider in den Sattel zu helfen – weswegen man ständig angeherrscht wird, unbedingt an die Urne treten zu sollen. Ich habe schon Toastbrot gegessen, das intelligenter war als Leute, die wählen gehen, wo es nichts zu wählen gibt als einen Verein namens CDUDIEGRÜNENFDPPDSSPD, der es einem wie Haider leicht macht, sich als Alternative darzustellen. Problematischer als der Nazi Haider sind die Leute, die sich mit ihm arrangieren und das als Widerstand gegen ihn deklarieren. Werner Pirker, ein Österreicher, der großen Wert darauf legt, Kommunist zu sein, gründete gestern in der jungen Welt den ersten deutschen Ortsgruppenverein der ÖVP: „In der israelischen Knesset sitzen wohl etwas mehr Leute, die von der Überlegenheit der eigenen ‚Rasse‘ und der Untermenschennatur anderer Völker überzeugt sind, als im österreichischen Parlament.“

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