Die Goldesel des Dr. Kohl

■ Professionelle Drückerkolonnen haben für die CDU jahrelang Spenden eingetrieben und diese nicht einmal ordentlich verbucht

Der spätere Bundeskanzler und CDU-Chef Helmut Kohl war in jungen Jahren offenbar ein gelehriger Schüler. „Das Wichtigste in der Politik ist, die Kasse muss stimmen“, hatte ihm der katholische Dekan Johannes Finck beigebracht. Und Kohl hat diesen Satz immer beherzigt. Der „Alte“ und seine Helfershelfer, der Ex-Generalbevollmächtigte der Schatzmeisterei, Uwe Lüthje, sein Vertrauter Hans Terlinden und Ex-Finanzberater Horst Weyrauch fanden immer Mittel und Wege die Partei finanziell gut zu polstern – auch als die CDU 1989 mehr als 40 Millionen Mark Schulden hatte und angeblich schon der Kaffee im Konrad-Adenauer-Haus rationiert wurde. Nur sechs Jahre später konnte die Partei nach einer wundersamen Geldvermehrung ein Guthaben von 25 Millionen Mark verzeichnen.

In Unionskreisen wundert es mittlerweile niemanden mehr, dass Weyrauch in einem sechsstündigen Gespräch mit CDU-Bundesgeschäftsführer Willi Hausmann gesagt haben soll, Kohls angebliche Spender, die ihm 2,4 Millionen Mark übergeben hätten, existierten nicht. Der Berliner Tagesspiegel spekuliert, die Millionen seien vielmehr Zinserträge von Schweizer Schwarzgeldkonten der Staatsbürgerlichen Vereinigung (SV). Diese „SV“ war die größte Geldwaschanlage der Republik. Die Industrie zahlte Geld an den Verein, das aus steuerrechtlichen Gründen über angeblich gemeinnützige Organisationen nach Liechtenstein transferiert wurde, von dort floss das Geld zurück an die CDU.

So wurden mehr als 200 Millionen Mark am Finanzamt vorbeigeschleust. Die SV ist nach dem Flick-Skandal aufgelöst worden. Einige Millionen Mark sind nie wieder aufgetaucht. Wenn das Geld nicht von edlen Spendern kommt, wie von Kohl behauptet, hat die CDU nach der Flick- und Parteispendenaffäre in den 80er-Jahren ungehindert weiter illegale Parteienfinanzierung in großem Umfang betrieben. Da wundert es nicht, dass auch in der Amtszeit von Ex-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister Firmenspenden am offiziellen Rechenwerk der Partei vorbei auf Nebenkonten transferiert worden sind – obwohl das Parteiengesetz das vorschreibt – Baumeister war mit einem Sauberfrau-Image angetreten, nachdem ihr Vorgänger Walther Leisler Kiep seinen Job infolge der Flick-Affäre drangeben musste.

In einem Brief von Baumeisters Büroleiter Jürgen Schornack vom 13. Dezember 1993 werden je eine 100.000-Mark-Spende des Versandhauses Quelle und des Pharmaunternehmens Merck genannt, die beide nach Informationen der FAZ nicht im Rechenschaftsbericht des Jahres aufgetaucht seien.

Gleiches gilt für weitere Firmenspenden in der Zeit von 1993 und 1994. Die FAZ beruft sich auf eine Liste des dubiosen und mittlerweile rechtskräftig verurteilten Unternehmers Hannes Müller, der für die CDU in den 90er-Jahren Spenden in Millionenhöhe eingetrieben hat. Die CDU wollte sich gestern nicht zu den neuen Erkenntnissen äußern.

Der Name Hannes Müller steht für eine weitere, zumindest merkwürdige Form der Parteienfinanzierung: Spendeneintreiben durch Drückerkolonnen. Mit Sprüchen wie „Guten Tag, ich komme von Herrn Dr. Kohl“ gaben sich die Spendeneintreiber als Mitarbeiter der CDU aus und ließen die Spender in dem Glauben, ihr Bonus lande zu hundert Prozent bei der Partei. Müller kassierte dafür Provisionen zwischen 40 und 50 Prozent. Die Verträge mit den professionellen Spendeneintreibern wurden von dem damaligen Finanzberater der CDU, Weyrauch, ausgearbeitet.

Auf diese Weise sollen zwischen vier und fünf Millionen Mark in die Parteikasse geflossen sein. Für die CDU ein lukratives Geschäft: Statt auf Zufallsgaben setzen zu müssen, konnte systematisch und bundesweit Geld eingetrieben werden. Für die unwissenden Geldgeber aber hätte ihre Spendenbereitschaft ein strafrechtliches Nachspiel haben können. Denn die abzugsfähigen Spendenquittungen waren stets über den vollen Betrag ausgestellt. Das ist nach Expertenmeinung rechtlich bedenklich, denn steuerlich abzugsfähig könne nur der Teil einer jeden Spende sein, von dem wirklich die CDU profitiert habe, nicht aber die in der Spende enthaltene Provision. Selbst der ehemalige CSU-Schatzmeister Kurt Faltlhauser hielt die Praktiken der CDU damals schon für „rechtlich, insbesondere steuerrechtlich problematisch“.

Als sich die damalige Schatzmeisterin Brigitte Baumeister nach der Veröffentlichung von Müller trennte, musste die Partei mehr als eine Million Mark Abfindung zahlen. Teuer war auch der Rückkauf eines Verlages und einer Kommunikations- und Mediengesellschaft, deren Mitarbeiter nicht nur Abos und Anzeigen, sondern auch Spenden für die Union aquirierten. Fünf Millionen Mark zahlte die CDU für alle Anteile, die sie dem parteinahen Verleger Axel Walter einst für eine symbolische Mark überlassen hatte.

Heute will die CDU nach den Aussagen von Weyrauch die Öffentlichkeit weiter aufklären.

Karin Nink