Schnittplatz
: Verbale Aufrüstung

Es darf entlarvt werden. Private und Öffentlich-Rechtliche rangeln um Haider

Nein, quotengeil sind sie alle nicht, schon gar nicht die Gralshüter des öffentlich-rechtlichen Journalismus bei ARD und ZDF. Und wenn Jörg Haider jetzt doch die Staatsmann-Posse im Skilehrer-Outfit gibt und durch die Nachrichtensendungen, Newstalks und andere Brennpunkte des TV-Geschehens tourt, dann ist das Ziel die „offensive Auseinandersetzung“ (ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann) mit dem weich gespülten FPÖ-Chef. Und nur ein ganz kleines bisschen Freude schwingt da mit, dass man mit dem gestrigen „Farbe bekennen“ dann ja doch noch n-tv und Erich Böhmes erstem „Talk in Berlin“ zuvorkommen würde.

Immerhin war Haider am Donnerstag zuerst beim ZDF („heute journal“), und dann im „Nachtjournal“ von RTL live zugeschaltet – die ARD „Tagesthemen“ hatten das Nachsehen. Denn Haider ist, wie übrigens der österreiche Bundespräsident Klestil und ÖVP-Chef Schüssel, natürlich auch hier geladen gewesen, kam aber schlicht und einfach nicht. – Kleine Retourkutsche für die Spontanausladung bei „Sabine Christiansen“ am vergangenen Sonntag?

Im RTL-„Nachtjournal“ blieb alles beim alten, „Anchorman“ Bremer dröhnte wieder direkt vom Teleprompter und ging nach jeder knappen Haider-Antwort brav zur nächsten Frage über. Für das ZDF machte Peter Niemetz eine passablere Figur, auch wenn es Haider wieder zu leicht gemacht wurde, an den nicht gerade zugespitzen Fragen des Redakteurs im Studio vorbei zu antworten. Immerhin entlockte Niemetz dem Landeshauptmann aus Klagenfurt folgende Sentenz mit Blick auf seine vormaligen „verbalen Entgleisungen“:

N: „Kann ein Jörg Haider so weit verbal abrüsten, ohne sich zu verbiegen?“ – H: „Das hängt davon ab, ob meine politischen Mitbewerber und Gegner in der Lage sind, zu einer Kultur des politischen Dialogs zurückzukehren. Oft hat es den Anschein, dass sie eigentlich mit Stereotypen und Vorurteilen durch die Welt stolpern, und gar nicht von uns aufgeklärt werden wollen.“

Aufklärung und Propaganda – das sorgt für erhitzte Gemüter in den Redaktionen, der journalistische Ehrgeiz ist herausgefordert. „Das ist ein Spiel mit dem Feuer, jeder freut sich, wenn er ein bisschen verbrannte Finger hat und denkt sich, wir schaffen das“ (ARD-aktuell-Chefredakteur Bernd Wabnitz).

Immerhin 15 Minuten Sendezeit und zwei Chefredakteure, wie üblich ausgewogen zwischen schwarz (Sigmund Gottlieb, Bayrischer Rundfunk) und rot (Marion von Haaren, WDR) mochte die ARD zum „Farbe bekennen“ aufbieten. Prominente, die wieder abspringen könnten wie bei „Christiansen“, waren glücklicherweise nicht vorgesehen.

Hier hört man übrigens mittlerweile, Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) habe sich gar nicht wegen der zunächst erfolgten Absage von Michel Friedman absentiert, sondern weil er befürchten musste, von einem Haider wegen seiner eigenen restriktiven Handhabung der Ausländerpolitik vorgeführt zu werden.

Am Sonntag geht der Zirkus dann bei n-tv weiter, natürlich eben nicht wg. Quote, diesmal soll richtig „entlarvt“ werden. Und da dürfen auch die anderen Privaten nicht fehlen: ProSieben hängt sich gleich mit an den Genossen Trend. Wenn Böhme aum Sonntag ausentlarvt hat, dröhnt’s faktenreich bei „Focus-TV“: „Haider ante portas! Ein Rechtspopulist gegen den Rest von Europa“. Streng im Dienste des kritischen Journalismus, versteht sich.

Steffen Grimberg