Ökolumne
: Die Nische verlassen

Auch Ökobauern müssen sich auf liberalisierten Agrarmarkt einstellen

Wie wärs damit: Bio-Artischocken aus Frankreich, Öko-Orangen aus Spanien und Bio-Avocados aus Israel. In jedem Supermarkt und halbwegs erschwinglich. Auch das könnte die neue, liberalisierte Agrarwelt bringen. Aber der Ökolandbau weiß immer noch nicht, welche Rolle er haben will. Er bleibt Statist. Für den Hauptdarsteller auf der Agrarbühne, den konventionellen Landbau, erübrigt sich die Frage. Die Marschrichtung in die Liberalisierung ist klar: So lange wie möglich subventionierte Pfründen sichern und mit noch mehr Industrialisierung und oft fragwürdigen Mittelchen wettbewerbsfähig bleiben. Das Resultat wird meistens essbar und genießbar sein, manchmal nicht.

Beim Ökolandbau tut sich wenig. Dabei zeigt die ökologische Israel-Avocado, dass auch der Biobauer inzwischen internationale Konkurrenz hat. Eine Öffnung der Handelsschranken, eine Kürzung der Subventionen wird ein Weiteres dazu tun, um die Ökolandbauprodukte unter Druck zu setzen. Und auf Dauer fallende Preise für herkömmliche Produkte könnten auch ein schlechteres Licht auf die immer noch gleich teuren Ökoprodukte werfen. Die Frage, die der Ökolandbau beantworten muss, ist, ob er sich an der Liberalisierung aktiv beteiligen soll. Ob er agressiv vermarkten, Kosten senken und die Anbaufläche ausweiten will. Ob der Kunde zum umworbenen König wird oder die Philosophie das Leitbild bleibt.

Der Blick in die weltweite Realität sollte bei der Antwort helfen: 99 Prozent der landwirtschaftlichen Produkte werden mit herkömmlichen Methoden hergestellt. Die Nische der chemiefreien Subsistenzbauern und Ökobauern ist winzig. Darum geht es: die herkömmliche Landwirtschaft aufs Korn zu nehmen, daran zu arbeiten, dass weltweit Pestizide, Hormonrinder, Gentechnik zurückgedrängt werden. Es geht um eine qualitative Mitgestaltung.

Richtig ist, dass ein – hoffentlich sogar billigeres – Mehrangebot erst einmal zur Rationalisierung zwingt. Also wird es auf der gleichen Ökofläche mehr, teure, spezialisierte Maschinen geben. Es wird größere Höfe geben – wie sie anderswo längst existieren. International einheitliche Standards als Marketingmaßnahmen werden zu Lasten hoher Qualitätsstandards gehen, weil in der Regel der kleinste, nicht der größte gemeinsame Nenner gefunden wird. Aber diese Einschnitte und Umstrukturierungen werden vielen (neuen) Verbrauchern lieber sein, als ganz auf den Ökoeinkauf zu verzichten, weil das Produkt zu teuer oder gar nicht verfügbar ist.

Wenn sich der Ökolandbau der liberalisierten Welt mit ihren Konsequenzen verweigert, zeugt das zudem von wenig Vertrauen in den Verbraucher: Diese machen nicht jeden Qualitätsverlust mit und können durchaus entscheiden, wann etwas den Titel „Öko“ noch verdient. So viel Herausforderung muss sein: der Erhalt einer gewissen Qualität bei bezahlbaren Preisen. Eine Globalisierung im Ökolandbau schließt außerdem keineswegs aus, dass der ein oder andere Verband an strengeren Kriterien festhält oder dass der Einkauf regional hergestellter Produkte weiter beworben wird. Echte Wahlfreiheit hieße das für den Verbraucher, der heute nur die Wahl hat zwischen 100 Prozent politisch korrekt oder dubioser Massenware.

Ein häufiges Argument gegen Ausweitung und Kostensenkung ist ein soziales: Der Ökolandbau sichere Arbeitsplätze, Rationalisierung vernichte diese. Wenn man aber in den Fachblättern liest, dann handelt es sich da häufig um ganz besondere Jobs: „Mithelfer gegen Kost und Logis“, „Saisonarbeiter“, kostenlose „Praktikanten“. Die Frage gehört anders gestellt: Wie viele normal bezahlte Jobs könnte es geben, wenn der Ökolandbau 30 Prozent Fläche besetzt und entsprechende Maschinen verlangt?

Aber, entgegnet die Ökogemeinde, was ist mit den unökologischen Ferntransporten? Drei viertel der klassischen Agrarexporte aus Deutschland gehen nicht in die weite Welt, sondern ins nahe Europa, der größter Teil des Restes in den Osten, nach Russland. Das wird bei den Ökoprodukten nicht anders sein. Und wenn es den spanischen Orangenplantagen gut tut, dann kaufe ich die Öko-Orangen. Wer sich in die Diskussion um Handel und Transporte einmischt, bewirkt sogar vielleicht diese Revolution: Sie kommen per Bahn. Maike Rademaker