Vom Chefaufklärer zum großen Schweiger

Hessens Ministerpräsident Koch ist immer dann still, wenn es um Vorwürfe gegen ihn geht. Zum Rechenschaftsbericht von Horst Weyrauch will er erst nächste Woche etwas sagen

Wiesbaden (taz) – Manchmal stelle er sich in diesen schlimmen Tagen schon die Frage, ob „das Ganze“ noch Sinn mache, sinnierte Roland Koch, der hessische Ministerpräsident und Chef der angeschlagenen CDU im Lande, auf einer Podiumsdiskussion in Gießen. Das Ganze? Das ist für Koch die Regierungsarbeit an und für sich im Zeichen der Existenzkrise seiner Landespartei, ausgelöst durch den hessischen Finanzskandal. Koch wollte doch so gern der „Chefaufklärer“ sein, der „brutalstmöglich“ alles aufdeckt. Und jetzt wirft die FAZ schon die Frage auf, ob Koch etwa „amtsmüde“ sei, nach noch nicht einmal einem Jahr an der Macht.

Regierungssprecher Dirk Metz erklärte umgehend, wie man die Worte des Ministerpräsidenten zu verstehen habe. Koch präsentiere sich momentan ein bisschen schlapp, weil das, was der Mann leiste, mit einer „fast übermenschlichen Belastung“ verbunden sei. Das sei „keine vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltung“.

Hat Koch sich also wegen der Doppelbelastung – hier Regierungschef, da Chefaufklärer – von der Aufgabe des Retters der hessischen CDU vorläufig verabschiedet? Schon gestern wollte Koch der Öffentlichkeit erste Ergebnisse des ausgewerteten Rechenschaftsberichts von Horst Weyrauch geben. In dem Bericht hat der ehemalige CDU-Wirtschaftsprüfer angeblich alles über Schwarzkonten, verschwundene Gelder und die Drahtzieher dieses illegalen Finanzsystems in Hessen ausgesagt. Gestern dann gab die Parteizentrale der CDU die Parole aus: Pressekonferenz am Mittwoch, also, wohl nicht ganz zufällig, zwei Tage nach der Tagung des Wahlprüfungsgerichts am Montag.

Das Gericht soll darüber entscheiden, ob die Hessenwahl 1999 vielleicht wiederholt werden muss, weil Koch seinen Wahlkampf mutmaßlich mit Geldern aus schwarzen Kassen führte. Wird diese These von Weyrauch gestützt? Gibt es entsprechende Belege oder Buchungsvermerke? Koch schweigt, mindestens bis Mittwoch. In Wiesbaden kocht allerdings schon die Gerüchteküche. Der OB-Wahlkampf von Petra Roth (CDU) in Frankfurt, heißt es, sei mit Geld aus den schwarzen Kassen finanziert worden, ebenso die Renovierung der Geschäftssteller der hessischen CDU in Wiesbaden.

Und Koch sowie sein Staatsminister Franz Josef Jung, Leiter der Staatskanzlei, wussten sie auch davon nichts? Jung steht ohnehin schwer unter Beschuss der Oppositionsparteien. Der Buchhalter R. aus dem Taunus, der die hessische CDU zu Beginn der 90er-Jahre mit Scheckbetrügereien um eine Million Mark prellte, wurde nicht nur nicht angezeigt. Dem Mann mit dem Insiderwissen wurden von der CDU – nach mehreren Gesprächen mit Jung, der damals Generalsekretär der Partei und später Fraktionsgeschäftsführer im Landtag war – sogar noch die Schulden von mehr als einer halben Million Mark bezahlt. Ein „in der Wirtschaft durchaus übliches Verfahren“ – so jedenfalls hatte Roland Koch die „Schweigepflichtvereinbarung“ mit dem offensichtlichen Erpresser der hessischen Union bezeichnet.

Der Ministerpräsident müsse jetzt alle Karten „umgehend“ auf den Tisch legen, fordern die Grünen. Für die SPD spricht das Schweigen von Koch und Jung Bände. Hätte Koch tatsächlich noch ein Interesse an der Aufklärung, müsste er R. von der damals vereinbarten Schweigepflicht entbinden, sagt SPD-Fraktionschef Armin Clauss. Koch hütet sich davor. Und schweigt weiter.

Klaus-Peter Klingelschmitt