Im Spendensumpf gelten längst keine Ehrenregeln mehr

Wer zieht an welchen Fäden? Wer will, dass Schäuble stürzt? Im Intrigenspiel der Union haben die Protagonisten längst den Überblick verloren. Jeder kämpft gegen jeden. Und Wolfgang Schäuble scheint sich gerettet zu haben

Wieso ist eigentlich noch keiner auf die Idee gekommen, aus der CDU-Finanzaffäre eine Soap-Opera zu stricken? Verbrechen und Intrigen gibt es genug: Aus ehemaligen Vertrauten werden erbitterte Feinde, und das Material für täglich neue Episoden geht nicht aus.

Zum Beispiel Parteichef Wolfgang Schäuble: Der selbst ernannte Chefaufklärer ist durch die 100.000-Mark-Spende von Karlheinz Schreiber und seine Treffen mit dem Waffenhändler ins Zwielicht geraten. Die Mehrzahl der Deutschen wünschen sich jüngsten Umfragen zufolge seine Ablösung als Parteichef. Doch Christdemokraten, die ihm nahe stehen, wittern eine von langer Hand eingefädelte Intrige. Als Strippenzieher gilt ihnen Helmut Kohl. Er wolle über ihm wohlgesinnte Medien und Helfershelfer Schäuble kaputtmachen, weil der zur Aufklärung der CDU-Finanzaffäre auch den „Dicken“ nicht geschont habe.

Die Vermutung einer gezielten Medienkampagne gegen Schäuble ist nicht ganz abwegig. Gleichzeitig, so die Verschwörungstheorie, soll der Altkanzler aber auch die ehemalige Schatzmeisterin und einstige Schäuble-Vertraute Brigitte Baumeister dazu benützen, Wolfgang Schäuble zu destabilisieren. Gegen die hätte der „Alte“ vermutlich „irgendwas“ in der Hand, so wird gemunkelt – nur keiner weiß, was.

Diese Verschwörungstheorie wird durch das widersprüchliche Verhalten der ehemaligen Schatzmeisterin genährt. Nachdem sie zunächst Schäubles Version von der 100.000 Mark Spende bestätigte, wolle sie nun vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Spendenaffäre der CDU die Version des Waffenhändlers Schreiber bestätigen, heißt es. Danach hat Schäuble das Geld von Schreiber nicht einen Tag nach einem Sponsorenessen in Bonn im September 1994 bekommen – so wie der CDU-Chef es darstellt –, sondern erst drei Wochen später über die Geldbotin Baumeister.

Baumeister ist seit Wochen nicht mehr zu sprechen. Sie will sich erst am 13. April vor dem Untersuchungsausschuss äußern. Je mehr der Konflikt mit ihrem einstigen Mentor Schäuble hochkocht, umso mehr zieht sich die Diplom-Mathematikerin zurück. Die ohnehin schnell nervös werdende Baumeister sei angeschlagen, sie halte den Druck der vergangenen Wochen kaum noch aus, heißt es. Über einen Nervenzusammenbruch der Ex-Schatzmeisterin wird spekuliert.

Schäuble hatte ihr, nachdem er unter öffentlichem Druck am 10. Januar die Schreiber-Spende eingeräumt hatte, die Schuld dafür gegeben, dass das Geld nicht ordentlich verbucht worden sei. Baumeister ließ das klaglos über sich ergehen, soll Schäuble aber angeblich aber schon zwei Tage später, am 12. Januar, über Widersprüche bei den Terminen und einem weiteren Treffen berichtet haben. Dabei habe sie sich auf einen Vermerk bezogen, in dem sie alle Treffen zwischen Schäuble und Schreiber festgehalten habe.

Gegen die Glaubwürdigkeit von Baumeister spricht, dass sie sich in ihrer Darstellung mehrfach widersprochen hat; gegen Schäuble, dass er nur scheibenchenweise mit der Wahrheit rausrückte. Doch Schäuble, so scheint es, soll aus dem Konflikt nicht als Verlierer hervorgehen. Ihn braucht die Partei noch, um die Drecksarbeit zu machen.

Warum sonst drang von dem Gespräch zwischen dem ehemaligen Finanzberater der CDU Horst Weyrauch mit der Parteispitze nichts Neues an die Öffentlichkeit, außer dass Weyrauch bezüglich der 100.000-Mark-Spende die Version von Schäuble bestätigte? Zufall? Oder sollte gerade jene Nachricht die Medien so schnell wie möglich erreichen? Weyrauch hat Schäuble wunschgemäß von dem Verdacht befreit, die 100.000 Mark in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Sogar Helmut Kohl meldete sich und stützte die Version seines Nachfolgers. Opfer und Täter sind in diesem Intrigenspiel kaum noch zu unterscheiden.

Karin Nink