Das Aus für den Transrapid ist ein Grund zum Feiern – aber die Umweltbewegung muss in Zukunft mehr tun, als zu verhindern
: Lenken statt Bremsen

Das Ende kam nicht durch eine Verkehrs-debatte, sondern durch den Sparzwang

Selten hat eine industriepolitische Grundsatzentscheidung so viele Menschen glücklich gemacht. Die Bahn, die Bundesregierung, die Rechnungshöfe und Wirtschaftsweisen, die Umweltschutzverbände und Bürgerinitiativen und selbst die Industrie sind erleichtert über das endgültige Aus für den Transrapid Hamburg –Berlin, das am Samstag kam. Die Umweltbewegung hat zum Ende des „Milliardengrabs auf Stelzen“ maßgeblich beigetragen. Doch nach der Siegesfeier könnten die Transrapidkritiker mit einem Kater aufwachen. Denn die Magnetschwebebahn war nicht nur der letzte große Unsinn des 20. Jahrhunderts, sondern auch die letzte Schlacht der alten Umweltbewegung. Von nun an muss Verkehrspolitik mehr sein als nur Opposition gegen Megaprojekte. Und genau da kommt die Ökobewegung ins Schleudern. Denn so wirksam sie in den letzten Jahrzehnten bei der Verhinderung von sinnlosen, teuren und gefährlichen Vorhaben war, so wenig schafft sie es bisher, eine Debatte über zukunftsfähige Mobilität anzuzetteln.

Der Transrapid hat es seinen Gegnern ja auch leicht gemacht. Sein Grundübel war, dass von einer Allianz aus Politik und Industrie eine bestechend neue Technologie durchgedrückt werden sollte, die aber nicht auf den Markt passte. Bedarf für die Strecke gab es nicht, sodass die CDU/FDP-Regierung 1996 vom Bundestag eigens ein „MagnetschwebebahnBedarfsgesetz“ beschließen ließ, um die Realität an die Planung anzupassen. In der ganzen Welt scheiterten Pläne für den Export. In Deutschland liefen dem Transrapid nicht nur die Kosten, sondern auch die potenziellen Kunden davon: Für einen profitablen Betrieb hätten praktisch alle Reisenden zwischen Hamburg und Berlin den Transrapid nehmen müssen. Selbst die industriefreundlichen Wirtschaftsweisen befanden, nicht einmal die beteiligten Firmen hätten offenbar daran geglaubt, dass sich der Transrapid rentieren werde. Schließlich war das Projekt ein Fiasko deutscher Forschungspolitik: Jahrzehntelang flossen die Gelder sowohl in den Schwebezug als auch in die ICE-Entwicklung. Die Folge: Im Gegensatz zum französischen TGV kam der deutsche ICE zu spät auf den Markt.

Für die Industrie enthielt der Transrapid dagegen kein Risiko. Für den milliardenteuren Bau und den Betrieb der Strecke sollte in Form von Bund und Bahn die öffentliche Hand sorgen. Nur die Technik wollte die Industrie liefern und sich so Exportaufträge sichern. Von unternehmerischem Risiko, von Marktwirtschaft war da nicht die Rede: Wie bei der Atomkraft sollte der Staat mit Steuergeldern einen Industriezweig für die private Wirtschaft aufbauen. Schließlich war der Transrapid ein Erbe aus der Zeit der Großtechnologie und der vollen Kassen. Sein Ende kam auch nicht durch eine verkehrspolitische Debatte, sondern durch den Sparzwang im Bundesetat. Das ist seltsam, aber folgerichtig: Es gab immer nur forschungs- und industriepolitische, nie aber verkehrspolitische Gründe für das Magnetbahn-Milliardenprojekt.

Gäbe es kein milliardengroßes Etatloch, der Transrapid würde gebaut. So verschafft Hans Eichels Rotstift der Umweltbewegung nur eine Atempause. Denn bereits für 2006 hat der Finanzminister einen ausgeglichenen Haushalt angedroht. Welche untoten Verkehrs-, Export- und Imageprojekte dann wiederbelebt werden, weiß niemand. Diese Atempause müssen alle, denen Verkehr mehr bedeutet als der tägliche Stau, nun nutzen. Von Umweltverbänden und Verkehrsplanern werden Antworten erwartet: Wie soll im Jahr 2020 Mobilität in Deutschland und Europa organisiert werden? Die Grundfehler der Debatte um den Atomausstieg gilt es zu vermeiden: Zuerst muss für die positive Vision eines bequemen, sicheren, bezahlbaren und ökologisch tragbaren Verkehrs geworben werden, dann können die Einzelschritte folgen. Die äußeren Chancen dafür stehen so gut wie lange nicht mehr: Die rot-grüne Bundesregierung bekennt sich zumindest auf dem Papier zu den Zielen der Nachhaltigkeit – auch wenn die SPD von Fall zu Fall an ihre eigene Beschlusslage erinnert werden muss. Die (Auto-)Industrie macht sich verstärkt Gedanken über ihre Absatzmärkte der Zukunft, wie die ersten Anzeichen, etwa der Smart, die A-Klasse, der Lupo oder die Diskussion über Brennstoffzellen-Autos, beweisen. Und schließlich haben die Umweltverbände Konzepte entwickelt oder wie Greenpeace beim SmILE selbst Hand angelegt, um den Ingenieuren auf die Sprünge zu helfen. Diese Mischung aus kreativem Potenzial, unternehmerischen Visionen und politischem Wohlwollen muss genutzt werden, um die absehbaren und drängenden Probleme bei der Mobilität der Zukunft anzugehen: Der Schwerverkehr auf den Straßen wird rasant zunehmen, der Klima schädigende Flugverkehr wird sich ausweiten, die Gütertransporte verstopfen immer mehr die Straßen, die Bahn fährt leer durch die Gegend. Dafür steigt in den Städten die Belastung der Menschen durch Ruß, Lärm und Ozon; neue Straßen versiegeln den Boden und erzeugen immer mehr Verkehr. Unsere aktuellen Autos sind eine Dinosauriertechnik, die enorme Mengen von Material und Energie verschwenden.

Das gesellschaftliche Bild von der Automobilität als Freiheit muss zu Gunsten eines vernünftigen Umgangs mit Verkehr geändert werden. AutofahrerInnen müssen nicht nur begreifen, sondern auch fühlen, dass es keinen Sinn macht, sich über den Stau in den Innenstädten aufzuregen, während man selbst Teil dieses Staus ist. Unmöglich? Die Deutschen ihrem liebsten Kind zu entfremden? Man sollte die Macht von gesellschaftlichen Leitbildern und der Möglichkeit von Veränderungen nicht unterschätzen. Schließlich ist aus der Wegwerf-Wohlstands-Gesellschaft der Siebzigerjahre ein Volk von Mülltrennern und Recyclern geworden, aus einer Bevölkerung, für die der Strom aus der Steckdose kam, eine Mehrheit gegen die Atomkraft erwachsen. Warum sollte es unmöglich sein, zu Fuß zum Briefkasten zu gehen, zum Kneipenbesuch das Fahrrad und bei Städtereisen den Zug zu nehmen?

Die Magnetschwebebahn war die letzte Schlacht der alten Umweltbewegung

Die Umweltverbände haben in den letzten Jahrzehnten erfolgreich Zweifel an der Legitimation staatlich-industrieller Verkehrspolitik gesät. Natürlich bleibt Widerstand gegen den Autobahnwahn, die Flugmanie und den Schwerverkehr in den Städten weiter aktuell. Doch viel mehr noch müssen die Umweltschützer an einer gezielten Verkehrspolitik mitarbeiten, die an vielen kleinen Stellschrauben dreht, um das ganze System langsam auf Zukunftsfähigkeit umzustellen. Nach dem Ende des Transrapids können sich die Ökos nicht mehr nur mit Blockaden beschäftigen. Bei den Verkehrsprojekten der Zukunft sollten sie selbst am Steuer sitzen.

Bernhard Pötter