Mord in Kosovos geteilter Stadt

Die internationalen Organisationen haben die Provinz noch nicht unter Kontrolle. Seit Mitte letzter Woche starben zehn Menschen

Sarajevo (taz) – Wieder gibt es Tote und Verletzte im Kosovo. In Kosovska-Mitrovica, der zwischen Serben und Albanern geteilten Stadt, fallen trotz des Großaufgebotes von französischen KFOR-Soldaten weiterhin Schüsse. Seit Monaten schon demonstrieren Albaner hier gegen die Teilung. Seit Mitte letzter Woche sind zehn Menschen umgekommen.

Die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Bevölkerungsgruppen der Serben und Albaner begannen am Mittwoch letzter Woche, als ein Bus, der von dem serbisch kontrollierten Nordteil der Stadt Kosovska-Mitrovica in das Dorf Duraković nahe der montenegrinischen Grenze fahren wollte, mit einer panzerbrechenden Rakete beschossen wurde. Der Bus der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR sollte es serbischen Bewohnern der Stadt möglich machen, sicher in dieses von Serben bewohnte Dorf zu gelangen. Zwei serbische Passagiere starben, mehr als 20 Menschen wurden verletzt.

Dieser Anschlag führte zu wütenden Reaktionen von Serben in Kosovska-Mitrovica. Viele im serbisch kontrollierten Nordteil lebende Albaner wurden angegriffen, sechs Menschen wurden ermordet, sodass der UNHCR gezwungen war, 104 Kosovo-Albaner aus diesem Stadtteil zu evakuieren. Im Gegenzug wurde ein Serbe in der Stadt Gniljane erschossen. In Kosovska-Mitrovica versuchten albanische Demonstranten am Freitag eine Brücke, die einzige Verbindung zum Nordteil, zu stürmen. Französische KFOR-Truppen stellten sich den Demonstranten entgegen. Dabei kam es zu direkten Auseinandersetzungen zwischen Albanern und der KFOR. Elf Soldaten sollen bei den Demonstrationen am Freitag und Samstag verletzt worden sein, die Albaner behaupten, ein 15-jähriger Junge sei durch einen Schuss eines KFOR-Soldaten verletzt worden.

Die Atmosphäre ist in dieser Region seit Monaten aufgeheizt. Nach Einmarsch der Nato-Truppen wurde der Nordteil Kosovska-Mitrovicas, der in dem französisch kontrollierten Gebiet liegt, von den internationalen Truppen nicht besetzt, auch die Verbindungsstraßen nach Norden, nach Serbien hin, nicht. So bildete sich eine von Serbien aus kontrollierte Enklave im Kosovo heraus, in die zurückzukehren der albanischen Bevölkerung verwehrt wurde.

Die albanische Seite vermutet, die französischen Truppen hätten dieses Gebiet den Serben überlassen, weil auf ihm die einzige noch ausbeutbare Mine Kosovos läge, die Mine von Trepca, in der neben Kohle auch Edelmetalle gefördert werden können. Diese Mine sei vor wenigen Jahren in den Besitz eines französisch-serbischen Joint Ventures übergegangen, an dem die Familie Milošević direkt beteiligt sei. In den Augen der kosovo-albanischen Politiker wie Hashim Thaci und Ibrahim Rugova ist die französische Politik im Kosovo auch aus ökonomischen Interessen zu Gunsten der Serben parteilich. Demgemäß zögern albanische Demonstranten nicht, die den serbisch kontrollierten Stadtteil verteidigenden französischen Soldaten tätlich anzugreifen. Im Gegenzug führen die Serben das Schicksal der serbischen Bevölkerung in anderen Teilen Kosovos an, die ohne den Schutz serbischer Polizei von Albanern vertrieben würden. Die KFOR-Truppen und die internationale Polizei hätten den Schutz der serbischen Bevölkerung nicht gewährleisten können, sagen serbische Politiker. Ein offenes Geheimnis ist, dass serbische Polizisten in Zivil, darunter Mitglieder der Geheimdienste, aber auch Paramilitärs, in dem serbisch kontrollierten Gebiet aktiv sind. Die Albaner befürchten nun, dass von hier aus eine Destabilisierung des Kosovo betrieben würde. Auf diese Situation haben die internationalen Organisationen bisher keine befriedigende Antwort gefunden. Ganz überraschend sei die Entwicklung in Kosovska-Mitrovica nicht gekommen, heißt es von der UNO. Erich Rathfelder

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