FPÖ, Kulturkampf etc.
: Triumph der Werteverteidiger

Der Haider-Boykott in Österreich könnte der FPÖ mehr nützen als schaden

Die Liste wird immer länger. Als Peter Turrini vor drei Wochen den Kärntner Landesorden in Silber ablehnte, galt seine Zurückweisung den „Lügen und Unterstellungen“ der FPÖ. Die „gegensätzlichen politischen Anschauungen“ der Haider-Partei fand der österreichische Schriftsteller zwar in Ordnung. Aber dass die Freiheitlichen ihn als „Staatskünstler“ beschimpft hatten, das wollte Turrini ihnen nicht verzeihen.

Damals war von einer Regierungsbeteiligung der FPÖ nur am Rande die Rede. Nun ist Haiders Partei mit an der Macht – und seither wächst der Widerstand unter Intellektuellen. Elfriede Jelinek hat ein Aufführungsverbot sämtlicher neuen Stücke für Österreich erteilt. Gérard Mortier will seinen Vertrag bei den Salzburger Festspielen nicht mehr verlängern. Nun hat auch die Medienkünstlerin Valie Export den diesjährigen Oskar-Kokoschka-Preis von 250.000 Schilling abgelehnt, weil sie nicht von einer Regierung ausgezeichnet werden möchte, „in die aus macht-opportunistischen Gründen rechtsextreme, das Andere diskriminierende und somit auch kunstfeindliche Positionen aufgenommen und hofiert werden“. So stand es gestern im Standard. Gleichzeitig zog die New Yorker Galerie Tanja Grunert und Klemens Gasser ihren Antrag auf Subvention der laufenden Valie-Export-Ausstellung zurück. Und der in Frankreich lebende Kurator Robert Fleck hat per E-Mail internationale KünstlerInnen aufgerufen, nicht mehr in Österreich auszustellen, um den Anfängen zu wehren: „Would you have exhibit in Nazi-Germany?“

Den Rückzug aus Österreich dürfte die FPÖ durchaus als Sieg verbuchen – schließlich hätte Frau Export mit ihrem Preisgeld ebensogut Anti-Haider-Kampagnen unterstützen können. Tatsächlich versucht die Partei seit Jahren, staatlich geförderte Kulturprojekte zu diskreditieren. So berichtete die Neue Züricher Zeitung, dass Haider bereits 1988 dem damaligen Burgtheaterdirektor Claus Peymann nach der Uraufführung von Thomas Bernhards „Heldenplatz“ die Ausreise nahe gelegt hatte. Seither lautet Haiders Parole: „Ohne werteverteidigenden Kulturkampf ist eine Überwindung des linken Kulturfaschismus nicht möglich“, wie er 1994 in seinem bei Ullstein veröffentlichten Buch „Die Freiheit, die ich meine“ schrieb. Das häufigste Argument ist dabei, dass der Staat österreichfeindliche Kunst und Kultur einer 68er-Generation subventioniere, die sich „eingenistet, ja fett gefressen hat im politischen System“.

Was also soll man tun in Österreich: Fliehen oder trotzen? Abspecken oder widerstehen? Auf diese Frage haben die vor Haider zurückweichenden Kulturschaffenden offenbar keine Antwort. Dafür müssen sie jetzt ihrerseits Kritik einstecken. Der Wiener Künstler Peter Friedl hält Flecks Boykott-Rundbrief für „absurd und inkompetent“, zumal sich der Kurator bislang weder mit der nationalsozialistischen Vergangenheit noch mit der nationalistischen Gegenwart genügend beschäftigt habe. Dagegen setzt Friedl, der bei der letzten documenta beteiligt war und 1999 auf der Venedig-Biennale im österreichischen Pavillon ausstellte, auf politische Auseinandersetzung, mit Vorträgen über „gesellschaftliches Engagement und ästhetische Autonomie“. Auch der in Berlin lebende Gerwald Rockenschaub, der 1993 Österreich in Venedig repräsentierte, glaubt nicht, dass der Isolationskurs der Regierung schadet: „Ein Kulturboykott träfe in erster Linie bloß jene, die Haider ohnehin nicht wollten.“

Dabei sind diejenigen, die Haider nicht wollten, bestens organisiert. Seit Oktober existiert „Get To Attack“ (www.t0.or.at/gettoattack), ein Zusammenschluss aus dem Kulturbetrieb, der sich mit Aktionen gegen „die Institutionalisierung von Rassismus, Sexismus und Nationalismus“ in Österreich wendet. „Get To Attack“ führt im Netz eine Debatte über die Auswirkungen der neuen Koalition und organisierte die letzten Wiener Anti-FPÖ-Demonstrationen mit. Für sie liegt das Problem eher in der zunehmenden Gewaltbereitschaft von Demonstranten, die mehr Österreicher auf Haiders Seite ziehen könnte. Das schade der neuen Streitkultur im Lande allerdings mehr als der Weg ins Exil. Harald Fricke