Ein vermeidbarer Fehler: Die rot-grüne Drogenpolitik ist im Bundesrat gescheitert und die Zukunft der Fixerstuben ungewiss
: Bald wieder Strafe statt Hilfe?

Rot-grüne Drogenpolitik ist bislangnur eine Reformim Rückwärtsgang

In der Drogenpolitik wollte die rot-grüne Bundesregierung Zeichen setzen. Schluss sollte sein mit der „repressiven“ Ausrichtung dieses Politikfeldes. Stattdessen wollte man dem Grundsatz „Hilfe statt Strafe“ folgen und den Zugang zur Methadonsubstitution für die Junkies erleichtern, die so genannten Fixerräume rechtlich absichern und das Modellprojekt zur ärztlichen Heroinbehandlung „zügig“ umsetzen. Immer mehr zeigt sich indes, dass die kraftvolle Ankündigung von Reformen das eine, deren Durchsetzung das andere – und leider Mal um Mal Misslingende ist. Im Frühjahr letzten Jahres ist die Methadonreform gescheitert; nun hat die Bundesregierung – allen voran das grüne Bundesgesundheitsministerium – ihre zweite große Schlappe erlebt: Das Projekt der rechtlichen Absicherung der so genannten Fixerräume ist am vergangenen Freitag im Bundesrat abgelehnt worden.

Bei den Fixerräumen handelt es sich um Einrichtungen, in denen überwiegend langjährig Süchtige ihre mitgebrachten Drogen unter hygienischen Bedingungen konsumieren können – ohne polizeiliche Verfolgung fürchten zu müssen. Betrieben werden diese Fixerstuben meist von gemeinnützigen Vereinen und ihren Mitarbeitern, die sich dabei jedoch strafbar machen. Denn rechtlich ist es untersagt, anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Drogenkonsum zu verschaffen oder zu gewähren und dies öffentlich bekannt zu machen. So ist die paradoxe Situation entstanden, dass politisch gewollte Einrichtungen, die seit 1994 in Frankfurt, Hamburg, Hannover und Saarbrücken existieren und staatlich finanziert werden, gleichzeitig rechtswidrig sind.

Nach dem Crash ihres Reformprojekts, das diesen Zustand beenden sollte, stimmt Rot-Grün jetzt ein lautes Lamento über die „verantwortungslosen“ Konservativen an. Das ist verständlich, aber zu billig. Denn tatsächlich sind es vor allem drei hausgemachte Gründe, die zum Scheitern des Reformvorhabens geführt haben: handwerkliche Mängel, politische Naivität und die hohen Kosten, die mit dem Betrieb der Fixerräume verbunden sind.

Im Einzelnen und in umgekehrter Reihenfolge: Konsumräume brauchen Personal und verursachen Sachkosten für Miete, Strom, Telefon usw. Bei einer halbwegs „kundenorientierten“ Öffnungszeit von täglich etwa acht bis zwölf Stunden summieren sich die jährlichen Kosten locker auf 700.000 bis über 1 Million Mark – angesichts der klammen Haushaltslage in den Kommunen und Ländern kein Pappenstiel. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollte nun gesetzlich verankert werden, dass die einzelnen Länder jeweils für sich selbst entscheiden können (und müssen!), ob sie Fixerräume schaffen möchten oder nicht. Wollen sie solche Einrichtungen, dann – so der Gesetzesvorschlag der Bundesregierung – müssten sie jeweils landesspezifische Rechtsverordnungen erlassen, in denen die Modalitäten des Betriebs im Detail zu regeln wären. Die qualitativen „Mindeststandards“ indes wären im Bundesgesetz festgeschrieben. Zu diesen bundeseinheitlichen Vorschriften sollte etwa gehören, dass der Konsumraum in ein umfassendes therapieorientiertes Beratungssetting eingebettet und ständig von speziell geschultem Fachpersonal betreut sein muss. Kurzum: Die kostspielige Qualität wäre vom Bund vorgegeben; das „Sahnehäubchen“ oben drauf (z. B. Ausstattung der Räume, Öffnungszeiten, Fortbildungsbedarf des Personals usw.) hätten die Länder jeweils durch Rechtsverordnung setzen können; die Kosten schließlich wären vornehmlich aus den Haushalten der Kommunen zu decken gewesen. Dass viele Länder dies so nicht mitmachen wollen, kann kaum verwundern.

Doch damit ist man schon beim zweiten Punkt: der Naivität. Jene Länder nämlich, die – sei es aus Kostengründen, sei es aus „ideologischen“ Gründen – keine Drogenkonsumräume schaffen möchten, können einen solchen Gesetzentwurf prinzipiell nicht wollen. Sie wären zweifellos früher oder später unter heftigen öffentlichen Druck von engagierten Drogenhelfern oder Medien geraten, landesintern durch eine entsprechende Rechtsverordnung doch noch den Weg frei zu machen für die Fixerräume. Was lag für diese Länder also näher, als sich diesen Ärger dadurch vom Hals zu halten, dass man das Gesetzesvorhaben im Bundesrat zum Scheitern bringt? Denn: Gibt’s keine bundesgesetzliche Legalisierung der Konsumräume, dann gibt es auch keine Diskussion und dementsprechend keine Kosten im eigenen Land. Man kann dem Bundesgesundheitsministerium nicht zugute halten, dass es um dieses Risiko nicht wusste; davor war immer wieder gewarnt worden. Das Bundesgesundheitsministerium hätte stattdessen ein Gesetz auf den Weg bringen müssen, das schlichter gestrickt ist und nicht der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte. Allein – die Bonner Ministerialen hatten sich auf ihren (rechtstechnisch komplexen und im Bundesrat zustimmungspflichtigen) Weg festgelegt.

Eine weitere Naivität kommt hinzu: Konnte man allen Ernstes darauf hoffen, dass CDU und CSU einen Gesetzentwurf passieren lassen, den sie a) mehrheitlich nicht wollen und der ihnen b) doch immerhin ein bisschen die Chance bietet, neben dem eigenen Spendensumpf auch mal wieder „Sachthemen“ in der Öffentlichkeit zu debattieren? Konnte man damit rechnen, dass sich die gebeutelten CDU-Länder vom bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber hätten vorwerfen lassen wollen, dass ihnen hierzu die Kraft fehle? Wohl kaum. Und so hat Bayern am Vorabend der Bundesratssitzung die CDU-Länder (mit Ausnahme des Saarlands) auf seine Linie gebracht.

Das Lamentierenüber die „verantwortungslosen“ Konservativen ist zu billig

Schließlich erlaubte sich das Bundesgesundheitsministerium noch einen folgenschweren handwerklichen Fehler: Anders, als Hamburg, Niedersachsen und die SPD-Drogenpolitiker im Bund empfohlen hatten, wurde nicht die gesetzestechnisch einfache und nicht zustimmungspflichtige Lösung realisiert, „nur“ die Betreiber und MitarbeiterInnen der Konsumräume von Strafverfolgung auszunehmen. Damit wäre das Gesetzesvorhaben nach dem Motto verfahren: Bestraft wird auch künftig, wer eine Gelegenheit zum Drogengebrauch verschafft, gewährt oder öffentlich mitteilt – ausgenommen sind jedoch die MitarbeiterInnen und Betreiber staatlich anerkannter Drogenberatungsstellen. Statt dieser bestechend schlichten Lösung wurde ein Gesetzeswerk auf den Weg gebracht, das – wie schon dargestellt – dezidiert festlegt, wie Konsumräume beschaffen sein müssen und unter welchen Voraussetzungen sie legal betrieben werden dürfen. Damit hat sich die Bundesregierung in eine verheerende Falle begeben: Kommt es jetzt nicht zu einer Lösung im Vermittlungsausschuss, dann wird es nicht nur keine neuen Konsumräume in Deutschland mehr geben. Schlimmer: Auch die bundesweit 14 bestehenden Einrichtungen müssten ihren Betrieb einstellen. Denn die Sachlage wäre klar: Wie Konsumräume legal möglich sind, hat der Gesetzgeber nun in seinem Entwurf dargelegt. Dass sie legal möglich werden, hat er jedoch durch das Abstimmungsergebnis im Bundesrat expressis verbis verneint. Es herrscht künftig also nicht mehr „weiter Rechtsunsicherheit“, wie jetzt flugs von der Bundesdrogenbeauftragten behauptet wird, die damit die Folgen der Gesetzgebungsschlappe bagatellisiert. Statt Unsicherheit herrscht nun im Gegenteil Rechtsklarheit: Der Gesetzgeber hat entschieden, dass er Drogenkonsumräume nicht legalisieren will. Die rechtlichen Hilfskonstruktionen tragen nicht mehr, auf denen bisher die Arbeit der bestehenden Druckräume fußte. (Dazu gehörten zum Beispiel die so genannten ruhenden Musterprozesse gegen die Druckraumbetreiber und -mitarbeiter oder auch gutachterliche Äußerungen einzelner Oberstaatsanwälte und Justizverwaltungen.)

Bekanntlich befindet sich in Frankfurt die Europäische Zentralbank nicht weit vom drogenbelasteten Bahnhofsviertel; in Hannover beginnt in wenigen Monaten die Expo; und auch in Hamburg haben die Bewohner und Geschäftsleute in den betroffenen Stadtteilen St. Georg und Sternschanze die Nase voll von herumlungernden Junkies. Wenn die Drogenkonsumräume schließen müssen, von denen jeder einzelne täglich bis zu 400-mal genutzt wird, dann dürften wir in diesen Städten recht bald erleben, was repressive Drogenpolitik wirklich heißt. Rot-grüne Drogenpolitik erweist sich so gesehen bislang als eine Reformpolitik im Rückwärtsgang. Horst Bossong