„Die CDU-Spendenaffäre ist ein Verrat am C“

Der Chef der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung, Clemens August Holtermann, fordert von den Christdemokraten mehr innere Erneuerung. „So wie es jetzt läuft, kann es keinen Neuanfang geben“

taz : Der frühere Innenminister Manfred Kanther erfand jüdische Vermächtnisse, um schwarze Kassen zu vertuschen. Dem „Spiegel“ zufolge sollen fingierte Totenscheine in Paraguay gekauft worden sein. Dürfen Christen das?

Clemens August Holtermann: Das ist ein vollständiger Verrat am C. Für mich definiert sich „Christlich“ zum Beispiel auch im Grundgesetz. Da steht, die Verantwortlichen müssen alles vor den Menschen und Gott verantworten. Dann Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und Artikel 14 muss man ihnen unter die Nase halten: Eigentum verpflichtet und soll dem Gemeinwohl dienen. Das sind für mich christliche Grundsätze, die ins Grundgesetz eingeflossen sind. Da müssen sich Menschen dran halten, auch wenn sie sich nicht mehr auf die Bibel berufen, aber in einer C-Partei sind.

Soll die CDU auf das C verzichten?

Sie sollte darüber nachdenken. Besser wäre es, das C wieder ernster zu nehmen. Einige Mitglieder der CDU, vor allem in der Führungsriege, verhalten sich eindeutig unchristlich. Man kann sicherlich nicht die Affäre der ganzen CDU anhängen. Allerdings erwarte ich mehr innerliche Erneuerung von der Partei. Ich dachte, in der Opposition nach Kohls Abtritt würde die CDU regenerieren. Aber auch mit der Ausländerkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft hat sie einen unchristlichen Kurs eingeschlagen.

Wo verhält sich die CDU-Spitze in der Parteispendenaffäre unchristlich?

Es ist bedauerlich, mit Geld überhaupt Macht erhalten zu wollen und eventuell auch käuflich zu sein. Das ist noch nicht nachgewiesen, aber die Frage stellt sich ja doch. Unchristlich ist, illegale Spenden und schwarze Konten zu leugnen und scheibchenweise persönliches Versagen zu bekennen. Nach christlichen Werten gibt es die Möglichkeit, wenn man versagt hat und offen dazu steht, neu anzufangen. So wie es jetzt läuft, kann es keinen Neuanfang geben.

Der Beichtvater von Helmut Kohl, Heinrich Basilius Streithofen, steht auf dem Standpunkt, ein gegebenes Ehrenwort müsse eingehalten werden. Es stehe über dem Gesetz.

Herr Streithofen ist für mich kein Maßstab. Es handelt sich um ein Ehrenwort in unehrenhaften Zusammenhängen. Sein eigentliches Ehrenwort hat Kohl als Kanzler abgelegt. Er hat einen Eid auf die Verfassung geschworen und sogar noch bekräftigt: So wahr mir Gott helfe. Sein Schwur, dass er die Gesetze einhalten und für Gerechtigkeit eintreten wird, steht auf jeden Fall höher als dieses „ehrenwerte“ Wort.

Was muss die CDU jetzt machen?

Alles auf den Tisch packen. Und dann sollte man nach jüngeren Menschen suchen mit gesellschaftlichen und christlichen Grundsätzen. Die muss es doch in der CDU geben. Das sind ja nicht alles nur Karrieristen.

Sie vertreten die katholischen Arbeitnehmer. Wie ist die Stimmung unter ihnen?

Die sind sehr enttäuscht. Vor allem viele der alten Kämpfer aus der CDA. Sie hoffen zwar noch immer und mögen, wo sie so lange mitgemacht haben, sich jetzt nicht trennen, aber sie sind sehr enttäuscht und hilflos. Es ist eine große Gefahr, dass die Menschen sich jetzt aus der Politik zurückziehen und sagen, man kann keinem mehr trauen.

Sollte die katholische Kirche deutlicher als bisher Stellung zu der CDU-Parteispendenaffäre beziehen?

Ich vermisse ein klares Wort. Das macht mich traurig.

Interview: Isabelle Siemes