Ein Charmeur,kein Dumpfdussel

FPÖ-Chef Haider an dem zu messen,was er zu sein scheint, ist ein schwerer Fehler

Da hatten sie alle so gehofft, die „Farbe bekennen“-Leute von der ARD und die Berlin-Talker von n-tv, der Haider werde bei ihnen in der Sendung noch einmal so etwas sagen wie damals, im Juni 1991, bei seinem Zwischenruf im Kärntner Landtag. Von einer „ordentlichen Beschäftigungspolitik“ im Dritten Reich hat er da geredet. Vielleicht würde er irgendetwas anderes Dummes sagen, wobei jeder die braune Fratze des Faschisten sieht. Hier soll Journalismus funktionieren wie eine Abhörmaschine des Militärischen Abschirmdienstes, die auf bestimmte Schlagworte die Aufzeichnung eines Telefongespräches in Gang setzt und „Skandal in Talkshow“ an die Agenturen meldet. Die Talks sind auf Sieg oder Niederlage angelegt; das ist das, was in der High-Noon-Situation der direkten Konfrontation als „Entlarven“ verstanden wird – und diese Form des unpolitischen Krawalljournalismus dominiert Haider charmant. Weil er nicht verliert, gewinnt er.

Wer nicht so verschwiemelt, schwitzend und eklig daherkommt wie DVU-Chef Gerhard Frey, nicht so grenzenlos dumpfdusslig wie dessen Marionetten in den Bundesländern, nicht so gewalttätig und ausfallend wie der französische Front-National-Chef Le Pen, der passt nicht zum Bild des Rechten, wie Klein Moritz ihn sich vorstellt. Nur: Die müssen nicht mehr entlarvt werden.

Rechtsextremismus diesseits der braunen Uniform aber ist in Deutschland längst Teil des Politdiskurses der bürgerlichen Rechten geworden. „Wir sind die einzige Opposition, die auch regiert“, sagte Haider in einem Interview 1994, und er hatte Recht. Es braucht keinen Haider, um von der „Durchrassung der Gesellschaft“ zu fabulieren – das hat Edmund Stoiber schon getan. Es brauchte keine Regierungsbeteiligung der „Republikaner“, um das Asylrecht de facto abzuschaffen.

Und würde in Kärnten ein Holocaust-Mahnmal errichtet, wäre der Landeshauptmann Haider sicherlich dabei.

Haiders FPÖ übernimmt in Wien das Justizministerium. Hier hat er große Veränderungen angekündigt. In jedem Bundesland, so stehts im FPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm, soll eine zentrale Meldestelle eingerichtet werden, „an die Ärzte alle Fälle zu melden haben, in denen ein Verdacht physischen, sexuellen oder psychischen Kindesmissbrauchs besteht, und die entsprechende Auskünfte an Sicherheitsbehörden, Jugendwohlfahrtseinrichtungen und Ärzte erteilt“.

Über so etwas müsste man mit Haider diskutieren – nur nutzt da die geballte moralische Verurteilungskraft aller Giordanos, Duves, Böhmes und von Haarens nichts, da brauchte man schlicht ein paar Datenschützer und Experten, die Haiders Vorstellungen als freiheitsfeindlich selbst im Sinne des FPÖ-Programms und im Übrigen als schlicht blödsinnig auseinandernehmen. Das könnte vielleicht „Entzauberung“ sein.

Ähnliches gilt für die Ausländer-, die Sicherheits- und die Familienpolitik. Aber eben: In dem Maße, wie der rechtspopulistische Diskurs aus den Mündern der traditionellen „Mitte-rechts“-Parteien längst hoffähig geworden ist, kann er in der Diskussion mit Haider, dem Beelzebub, natürlich kaum noch Gegenstand sein. So funktioniert Rechtsruck. Auf der Suche nach dem faschistoiden Skandal fällt das gar nicht mehr auf.

Beim ARD-Interview vom Freitag konnte Haider auf die Frage, ob sich die EU-Partner denn doch mit ihm an einen Tisch setzen würden, ankündigen, sie würden das wohl müssen, sonst gäbe es halt keine Entscheidungen in Europa. So einfach sei das. Und weder Sigmund Gottlieb noch Marion von Haaren merkte, dass der Mann gerade eine österreichische Blockadepolitik gegen die EU angekündigt hatte. Kanzler Schüssel entschuldigte sich später, Haider ruderte zurück.

Warum kommen deutsche Medien Haider nicht bei? Ja eben.

Bernd Pickert