Der „Bad Boy“ macht das Licht aus

■ Gibt es bald nur noch Klassik? Das „Bremer Podium“ für zeitgenössische Musik wird bis auf weiteres eingestellt. Zum Kehraus war Musik des Australiers Michael Smetanin zu hören

Nicht nur aus der Kulturbehörde kommen täglich Horrornachrichten: Einigermaßen erschüttert mussten die ZuhörerInnen im Sendesaal von Radio Bremen aus dem Munde der Redakteurin Marita Emigholz zur Kenntnis nehmen, dass „dies mindestens in diesem Jahr, wenn nicht überhaupt das letzte Bremer Podium gewesen ist“. Das „Bremer Podium“ existiert seit 20 Jahren, ist ein stabil besuchtes Forum für Neue Musik. Im Nachmittagsworkshop mit den KomponistInnen, dem am Abend ein Konzert folgt, konnte das Publikum Fragen stellen, die dann auch geklärt werden.

Und immer waren hervorragende Interpretationsensembles da. Dass diese kleine Insel der Information und Auseinandersetzung nun wegfallen soll, mag man noch nicht so schnell glauben. Denn gerade öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten berufen sich auf einen Kulturauftrag zur Pflege unter anderem der zeitgenössischen Musik, der bislang so erfüllt wurde. Dieser Auftrag ist umso wichtiger, je mehr die staatlichen Institutionen die Präsentation der zeitgenössischen Musik weitgehend mit dem schlichten Argument vermeiden, dass die HörerInnen das nicht hören wollen. Da sei noch einmal an Zeiten erinnert – und das ist gerade erst gut 150 Jahre her –, in denen es nur zeitgenössische Musik gab.

Nun also beim vielleicht letzten Bremer Podium: Der australische „Bad Boy“ Michael Smetanin, 1958 als Sohn russischer Eltern geboren. Diesen Beinamen hat er weg, seit sich 1986 das Melbourne Symphony Orchestra geweigert hatte, sein Orchesterwerk „Black Snow“ zu spielen, weil es zu laut sei. Ein führender Rezensent allerdings bezeichnete es – dann gespielt vom Sidney Symphony Orchestra – als „neuen vulkanischen Meilenstein in der australischen Musik“. Als Jugendlicher war Smetanin ein leidenschaftlicher Rockmusiker, was man noch immer merkt. Die Basis seiner Musik ist der Rhythmus, auch die minimalistische Musik. Alle anderen Parameter wie Harmonie, Melodie, Klangfarbe erscheinen untergeordnet und zum Teil auch ungeordnet, etwas grob. Zwar gibt es immer wieder Momente, in denen Smetanin seinen hämmernden Ansatz eigenständig und innovativ, überraschend und explosiv zerschießt, aber letztendlich bohrt seine Musik sich recht ziellos in die Zeit hinein: Man weiß ziemlich schnell, wo's langgeht.

So zum Beispiel im hier uraufgeführten „Kartenspiel“ für zwei Klaviere und zwei Schlagzeuger, das die gemeinsame kraftvolle perkussive Ebene kaum verlässt. Die Musiker des trefflichen „Ictus“-Ensemble aus Brüssel, die Pianisten Jean-Luc Fafchamps und Jean-Luc Plouvier und die Schlagzeuger Miguel Bernat und Georges-Elie Octors legten sich mächtig ins Zeug. Zwar gibt es für diese Besetzung keine Gattung, aber ein weltberühmtes Stück: die Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug von Bela Bartók. Und der macht unnachahmlich vor, was differenzierte Auseinandersetzung mit spezifischen Klängen heißt.

Gelegentlich erscheinen poetische Momente, brechen herein wie Fremdkörper und sind auch schon wieder weg. Da hätte ich gerne mehr von gehört – wie auch vom gut ausgehorchten und zarten Flötenstück „Nontiscordardime“, das Jan van Mechelen hervorragend interpretierte. „Untertones“ für Bassklarinette, Klavier und Perkussion ist ein Jugendwerk: der rhythmusgetränkte Personalstil von Smetanin ist hier schon klar umrissen. Aufgrund der Zusammenarbeit mit Harry Sparnaay gibt es viel Musik für Bassklarinette, engagiert, aber nicht unbedingt inspiriert gespielt von Takashi. Auch wenn die Musik von Smetanin nun keine atemberaubende Entdeckung war, so zeigte er doch eine eigene, vitale und auch ein wenig verspielte Handschrift vor, auf die man sich durchaus lustvoll einlassen konnte.

Ute Schalz-Laurenze