Vielseitiger Untergrundkämpfer

Mit Hightech-Roboter sollen undichte Stellen in der Kanalisation aufgespürt werden

Mehrere hundert Millionen Kubikmeter Abwasser versickern in Deutschland jährlich aus defekten Kanalisationsrohren. Sie belasten das Grundwasser vor allem mit Sulfat, Chlorid und Stickstoffverbindungen sowie anderen häuslichen und industriellen Abfallprodukten. Das gesamte deutsche Rohrnetz ist etwa eine Million Kilometer lang, ein Viertel davon soll defekt sein. Die Kosten einer kompletten Sanierung wurden schon vor fast einem Jahrzehnt auf 200 Milliarden Mark geschätzt.

Da gilt es, Prioritäten zu setzen, und so fahren und kriechen seit einigen Jahren Prototypen verschiedener Kanalroboter durch den Untergrund. Mit Fernsehkameras erkunden sie den Zustand der stinkenden Röhren.

Doch „mal reingucken“ offenbart noch nicht das ganze Ausmaß der Schäden. Die Kamera im Kanal macht allenfalls grob den Zustand der Innenwände sichtbar, nicht aber Defekte wie Haarrisse oder Auswaschungen hinter der Rohrwand. Eine erhebliche Fehlerquelle ist nicht zuletzt der Mensch, der die Fernsehbilder aus dem Kanal zu beurteilen hat.

Andere Methoden der Fehlersuche, wie die chemische Analyse des Sickerwassers im Boden, sind sehr aufwendig. Sie werden – etwa bei Rechtsstreitigkeiten – zur Beweissicherung eingesetzt. Für die flächendeckende Untersuchung des Rohrnetzes sind sie zu teuer. Erprobt wurden auch Überprüfungen der Kanäle von der Oberfläche aus, mittels Infrarot oder Radar. Sie eignen sich aber nur für unbebaute Gebiete und sind anfällig für Störungen, beispielsweise durch unterschiedliche Bodenfeuchtigkeit.

Für Abhilfe soll nun ein „multisensorischer Kanalroboter“ sorgen, der von der Universität Karlsruhe in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Informations- und Datenverarbeitung (IITB) entwickelt wurde. Der vielseitige Untergrundkämpfer kann nicht nur mittels Videokamera sehen, sondern hat noch viele andere Sinne: Ein akustischer Sensor nimmt Defekte der Rohrwand wahr. Dafür klopft der Roboter die Leitung mit einem Hämmerchen ab und misst die Ausbreitung der Schallwellen. So wie Hausfrau und -mann von alters her den intakten Zustand von Keramikgeschirr am Klang erkennen, hört der Roboter, ob das Material beschädigt ist.

Eine mangelnde Einbettung ins umgebende Erdreich wird mit dieser Methode ebenfalls erkannt. Auch Mikrowellen machen sich im Kanal genauso nützlich wie in der Küche: Aus dem Rückstreu-Signal einer kontinuierlich ausgesendeten Mikrowelle lassen sich Hohlräume hinter der Rohrwand erkennen, wie sie durch ein Leck in der Leitung ausgewaschen werden können.

Mit einem neu entwickelten 3-D-Lichtschnittsensor vermisst der Roboter den Kanal von innen. Er projiziert feine Lichtstrahlen an die Rohrwand und registriert, wie diese reflektiert werden. Schon Verformungen und Defekte der Wand von nur 2 Millimetern sind so zu erkennen. „Wesentliche Vorteile dieses neuartigen Sensors sind die hohe Empfindlichkeit und der günstige Preis“, erläutert Matthias Eiswirth, der den Kanalroboter mit entwickelte.

Vergleichbare Sensoren waren bisher mehr als doppelt so teuer. Auch radioaktive Strahlen sollen Auskunft darüber geben, ob und wie weit Abwasser aus dem Kanal sickert. Dafür werden Bleibehälter mit radioaktivem Material, wie beispielsweise Kobalt, durch den Kanal gefahren. Ein Detektor registriert, wie die Strahlung reflektiert wird. Daraus können die Experten schließen, wie feucht das Erdreich in der Umgebung des Rohrs ist.

Noch nicht völlig gelöst ist das Problem, die vielen Information unter einen Hut zu bringen. Fuzzy-Logic soll’s möglich machen, so hoffen die Erfinder des Messfahrzeugs. Diese Logik kann aus vielen komplexen, teilweise unvollständigen oder auch widersprüchlichen Datensätzen sinnvolle Schlüsse ziehen. In der Realität erprobt ist das für den Kanalroboter noch nicht, bedauert Matthias Eiswirth. Denn für diesen Teil des Projekts hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die die Entwicklung bisher finanzierte, zunächst keine Mittel bewilligt. Doch inzwischen fließen auch hierfür Forschungsgelder. In eineinhalb Jahren so Eiswirth, könnte der „Multisensorische Kanalroboter“ auf den Markt kommen. Der Preis für das Gerät dürfte dann irgendwo zwischen 200.000 und 300.000 Mark liegen, schätzt er.

Wiebke Rögener